Polizei in Pakistan beschuldigt Kleinkind des versuchten Mordes
Lahore (dpa) - Er kann noch nicht einmal laufen und stand schon zweimal vor dem Kadi: Die Polizei in Pakistan hat einen neun Monate alten Jungen des versuchten Mordes beschuldigt.
Der Fall löste öffentlichen Ärger und internationale Entrüstung aus. Nun zog die Polizei ihre Beschuldigungen gegen den kleinen Muhammad Musa zurück, wie ein Anwalt der Familie sagte. Die Polizei habe den Namen des Jungen von der Liste der Beschuldigten in dem Fall gestrichen.
Muhammad Musa war für die Ermittler im Februar zum Schwerverbrecher geworden. Damals hatten aufgebrachte Einwohner eines Slums mehrere Polizisten und Mitarbeiter der Gaswerke angegriffen und sie mit Steinen beworfen. Die Gaswerksmitarbeiter wollten unbezahlte Rechnungen eintreiben. Etwa 30 Männer wurden festgenommen. Muhammad Musa geriet gemeinsam mit seinem Vater, Großvater und weiteren Familienmitgliedern ins Visier der Ermittler.
Ein Richter in der Stadt Lahore forderte die Polizei nun auf, eine Erklärung für den Vorfall zu liefern, wie Anwalt Irfan Tarar sagte. Der Richter sei verärgert gewesen.
Muhammad Musas Fall geriet in die Schlagzeilen, als der Junge in der vergangenen Woche erstmals vor Gericht erscheinen musste. Fernsehbilder zeigten ihn weinend in den Armen seiner Familienangehörigen, als ein Gerichtsmitarbeiter seine Fingerabdrücke nahm. Sein Großvater konnte ihn nur mit einem Babyfläschchen wieder beruhigen, berichteten pakistanische Medien. Der Richter verhängte eine Kaution.
Dem Anwalt zufolge hatte die Polizei die Familienmitglieder angeklagt, ohne ihr Alter zu überprüfen. Die Anklage gegen Muhammad Musa sei ein Fehler gewesen, betonte ein Polizeisprecher. Ein Ermittler sei deshalb vom Dienst suspendiert worden.
Am Samstag erschien der neunmonatige Muhammad, der auf Bildern etwas älter aussieht, wieder vor Gericht. Er trug ein kariertes Hemd und hielt sein Fläschchen in der Hand. Diesmal konnte der kleine Junge den Gerichtssaal frei verlassen. „Er kann nicht mal sein Milchfläschchen aufheben, wie sollte er also Steine werfen können“, sagte sein Großvater Muhammad Yasin einem Bericht des Nachrichtensenders BBC zufolge. Yasin sagte, er fürchte nun Repressalien seitens der Polizei, wie der Sender Geo TV meldete.
Den Verwandten des Jungen droht weiter ein Verfahren. Pakistans Justizsystem gilt als antiquiert und kompliziert. Aber das Gesetz verbiete die Strafverfolgung von Kindern unter sieben Jahren, sagte der Anwalt Rizwan Khan in Islamabad. „Es war vielleicht keine böse Absicht, aber es ist ein Fall von schwerer Nachlässigkeit.“