Porträt: Bill Clinton - Die Eitelkeit treibt ihn nach vorn

Bill Clinton gibt den erfolgreichen Außenpolitiker und stiehlt seiner Frau Hillary lächelnd die Schau.

Washington. Er telefoniert regelmäßig mit Staatschefs aus aller Welt, verdient sich mit Vortragsveranstaltungen eine goldene Nase und trifft sich zu Gesprächen mit Präsident Barack Obama.

Bill Clinton, den politische Experten 2008 nach der Vorwahl-Niederlage seiner Ehefrau Hillary abgeschrieben hatten, ist groß im Kommen.

Das Etikett des unverwüstlichen "Comeback Kid" hat sich der frühere US-Präsident redlich verdient. Eine Umfrage ergab kürzlich, dass die Amerikaner John F. Kennedy und Barack Obama zu den charismatischsten Politikern in der US-Geschichte zählen.

An dritter Stelle rangiert Clinton, der unbestritten eine persönliche Ausstrahlung hat und durch Skandale und Kontroversen zusätzlich emotionalisiert.

Manche lieben ihn, manche hassen ihn, faszinierend finden ihn alle. Fast neun Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem höchsten Amt ist der 63-Jährige auf dem besten Weg, seine Frau als US-Außenministerin aus dem Rampenlicht zu verdrängen.

Dass er auch dank ihrer Solidarität während der Lewinsky-Affäre im Amt bleiben konnte, veranlasst ihn keineswegs, sie nun rückhaltlos zu unterstützen und selbst einen Schritt zurück zu bleiben.

Während des Präsidentschaftswahlkampfs, das gab er offen zu, trieb ihn das Verlangen, an der Seite der ersten US-Präsidentin ins Weiße Haus zurückzukehren. Mittlerweile hat Bill Clinton andere Wege gefunden, sich wieder in Szene zu setzen.

Zu Konferenzen seiner William- J.Clinton-Stiftung in Harlem reisen Regierungschefs aus aller Welt ebenso an wie Microsoft Gründer Bill Gates und andere Megabosse.

Durch die wohltätige Organisation, die sich der Armuts- und Aids-Bekämpfung in Entwicklungsländern widmet, pflegt der Ex-Präsident enge Beziehungen zu Politikern und Industriekapitänen aus dem Ausland sowie den Entscheidungsträgern in Washington.

Hohe Wellen schlug er vor wenigen Wochen mit seinem Besuch in Pjöngjang. Nachdem sämtliche Versuche seiner Frau im Sande verlaufen waren, die zwei inhaftierten US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee freizubekommen, gelang ausgerechnet dem selbsternannten Sonderbeauftragten aus Washington der große Coup.

Für ihn wurde der rote Teppich ausgerollt, ein strahlender Kim Jong Il posierte für Fotos mit Superstar Bill. Ein Gespräch reichte, dann wurden die Reporterinnen auf freien Fuß gesetzt.

Zwar betonte das Weiße Haus, Clinton habe keinen "offiziellen Regierungsauftrag". Dennoch nahm Obama den diplomatischen Erfolg zum Anlass, sich mit seinem Vorvorgänger zum Vieraugengespräch zu treffen. Nicht dabei war die Außenministerin.

Während die US-Medien von Hillary Clinton kaum noch Notiz nehmen, machte Bill Talkshowrunden und ließ sich von Kommentatoren als der "verhinderte Außenminister" feiern, der den Job wohl besser machen würde.

Wenn einige kritisieren, dass Clinton vor lauter Eitelkeit der eigenen Frau ins Handwerk pfuschte, quittiert er das mit einem freundlichen Lächeln.

Von "Teflon Billy" gleitet immer noch alles rückstandslos ab. Sein früherer Wahlkampfmanager James Carville erklärt, "es wäre ein großer Fehler, diesen Mann und seine Ambitionen zu unterschätzen". Ein drittes Mal Präsident werden dürfe er zwar nicht. "Doch vielleicht heißt der Außenminister auch während Obamas zweiter Amtszeit Clinton" meint Carville spöttisch, "halt mit einem anderen Vornamen."