Opern-Diva Primadonna versus Klassikguru

Salzburg (dpa) - Der große Star der diesjährigen Festspiele ist Teodor Currentzis. Natürlich gibt es für seine hymnisch gelobte Interpretation der Mozart-Oper „La clemenza di Tito“ und für sein noch ausstehendes Konzert mit Gustav Mahlers erster Symphonie keine Karten mehr.

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Im Festspielshop sind sogar die drolligen Postkarten mit seinem charakteristischen Konterfei ausverkauft. „Die gehen weg wie nichts. Wir haben gerade nachbestellt“, sagt Inhaber Andreas Vogl. Die Karten zu zwei Euro das Stück stammen von dem syrisch stämmigen Künstler Maroine Dib, der sie eigens für Vogl kreiert hat.

Die beiden Postkarten mit Anna Netrebko sind noch zu haben. Eine zeigt sie zusammen mit ihrem Gatten, dem aserbeidschanischen Tenor Yusif Eyvazov, eine andere nur sie allein in einem tief dekolletierten schwarzen Abendkleid. Currentzis scheint der Diva, die seit ihrem phänomenalen Debüt als Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“ im Jahre 2002 regelmäßiger Gast an der Salzach ist, den Rang abzulaufen. Zumindest vorläufig. Auch Netrebkos 15-teiliges Teeservice wartet in einer Vitrine des Shops noch auf zahlungskräftige Kunden. Das mit Motiven aus Verdis „Aida“ verzierte Set, hergestellt in der „Imperial Porcelain Manufactory“ (Kaiserliche Porzellanmanufaktur) in St. Petersburg, kostet in der Basisversion stolze 2399 Euro.

Vogl hofft, dass der Verkauf anzieht, wenn „Anna gesungen hat“. Denn am Sonntag steht die wohl wichtigste Premiere der diesjährigen Salzburger Festspiele ins Haus, zumindest in puncto Glamourfaktor. Der italienische Maestro Riccardo Muti dirigiert Giuseppe Verdis „Aida“ in der Regie der iranischen Multikünstlerin Shirin Neshat. Und Anna Netrebko singt zum ersten Mal die Titelrolle der äthiopischen Sklavin, die sich am Hofe zu Memphis in den ägyptischen Feldherren Radames verliebt. Eine prekäre Affäre, die natürlich mit dem Tod der beiden Figuren endet.

Die Aida ist eine von drei großen Rollen-Debüts des laufenden Jahres für Netrebko: Gerade erst gab sie zum ersten Mal die Adriana in Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“. Die Maddalena in Umberto Giordanos „Andrea Chénier“ ist für Dezember an der Mailänder Scala annonciert. „Aida ist eine unglaubliche Rolle, eine Frau voller Liebe und Leidenschaft, hin und her gerissen zwischen ihrem Volk und dem Mann, den sie liebt“, sagte Netrebko in einem von den Festspielen verbreiteten Statement, eine echte „super women“.

Seit der Geburt ihres Sohnes im Jahre 2008 häutet sich Netrebko schrittweise zum vollgültigen dramatischen Sopran. An der Dresdner Semperoper hatte sie unter Dirigent Christian Thielemann bereits die Elsa in Wagners „Lohengrin“ gesungen. Ihr Debüt am Grünen Hügel, bei den Bayreuther Wagnerfestspielen, wo sie für 2018 ebenfalls als Elsa annonciert war, wurde jüngst zum Verdruss vieler Klassikfans ohne Angabe von Gründen abgesagt.

Mit von der Partie ist in Salzburg natürlich ihr Mann. Er singt den Radames, allerdings nicht zusammen mit seiner Frau. Die darf sich in den italienischen Belcanto-Tenor Francesco Meli verlieben. „Rein dispositionelle, keine persönlichen Gründe“, teilt die Pressestelle dazu auf Anfrage vorsorglich mit.

Nach dem programmierten Kunstgenuss gibt es wieder eine große Gala-Soiree für 360 Gäste mit Galadiner im Carabinierisaal der Salzburger Residenz und anschließendem Tanzvergnügen im Kaisersaal. Die Karten sind seit Monaten ausverkauft. Es gibt auch eine Cocktail- und Kaviarbar und an Champagner soll es dem Vernehmen nach nicht fehlen. Wasser auf die Mühlen derjenigen, die in Netrebko vor allem eine Luxus- und Society-Diva sehen. Das Magazin „Forbes“ hatte das Einkommen der in Wien lebenden Russin jüngst auf umgerechnet 6,34 Millionen Euro taxiert. Die wies die Zahl auf Facebook postwendend zurück. „Ich beschwere mich nicht über mein Einkommen, aber eure Zahlen sind EINFACH LACHHAFT.“

Eine vergleichbare Sause für den mönchisch strengen Currentzis und seinen Musik-Ashram namens Musica Aeterna schiene eher deplatziert. Obwohl auch der im russischen Perm wirkende, exzentrische Grieche, einen Hang zur Selbstdarstellung besitzt. Ein Reporter des Deutschlandfunks, der den stets schwarz gewandeten Meister in seinem Büro im Permer Opernhaus besuchte, wähnte sich in einem „ein wenig schwülstig eingerichteten Proustschen Boudoir“. Im Anschluss an das Interview präsentiert Currentzis dem Journalisten seine eigenen Schuh- und Taschenentwürfe sowie ein von ihm kreiertes Unisex-Parfüm. Im Festspielshop und den Salzburger Innenstadt-Parfümerien sucht man den Duft vergeblich, er würde sich wahrscheinlich sehr viel besser verkaufen als Netrebkos unbezahlbares Teeservice.