Primark: Nicht nachdenken, nur kaufen
Bei Primark ist Kleidung so billig, dass die Kunden kiloweise einkaufen. Aber muss das sein? Ein Annäherungsversuch.
Düsseldorf/Krefeld/Wuppertal. Blitzschnell verschwindet die Hand im Hausschuh und krault das roséfarbene Kunstfell. „Oh, guck mal“, ruft die dazugehörige Stimme und schiebt ein Quietschgeräusch hinterher. Die Stimme gehört nicht zu einem Teenager, sondern zu einer geschätzten Enddreißigerin, die gerade einen Familienausflug in die Düsseldorfer Primark-Filiale macht. An der einen Hand hält sie ihren Sohn, in der anderen besagte Kunstfellpuschen. Die Kaufentscheidung fällt in Sekunden: „Vier Euro, da musste nicht überlegen.“
Nicht überlegen, einfach mitnehmen — genau darum geht es beim Mode-Discounter Primark, der Kleidung für derart niedrige Preise anbietet, dass Konsumkritikern schwindelig wird. Drei Euro für ein T-Shirt, neun Euro für Turnschuhe und 50 Euro für einen kompletten Anzug. Die Einkaufskörbe in den Filialen sind so groß, dass Kofferraumladungen darin Platz haben — manche Paare nehmen gleich zwei.
„Primania“ nennt der Konzern den forcierten Konsumrausch. „Wegwerf-Shopping“ nennen ihn Kritiker. Und doch: Die irische Billig-Kette mit europaweit 157 Filialen ist auf Expansionskurs. Heute eröffnet die 15. deutsche Filiale in Krefeld. Weil das Unternehmen erneut mit einem Massenandrang rechnet, wurde extra ein Sicherheitskonzept erstellt.
Dabei macht Primark noch nicht einmal Werbung. Es setzt allein auf den Mitreißeffekt seiner zumeist sehr jungen Kundschaft. Auf der Plattform Youtube präsentieren Teenager in selbstgedrehten Videos die Ergebnisse ihrer Beutezüge. Als wäre es eine Leistung, sich durch die riesigen Geschäfte mit bis zu vier Etagen zu kämpfen, in denen die Klamotten so eng gehängt sind, dass man Hosen zunächst nicht von Blusen unterscheiden kann.
„Es heißt immer, Primark biete kein Einkaufserlebnis. Aber das stimmt nicht. Die Leute denken sich: Geil, ich kann die Tasche vollstopfen und zahle trotzdem nur 35 Euro“, sagt Branchenkenner Peter Frank von der Handelsberatung BBE.
Dass sich die Kunden nicht zieren, mit Primark-Tüten gesehen zu werden, dürfte daran liegen, dass die Geschäfte — im Vergleich zu anderen Mode-Discountern — nicht abgelegen an Supermärkten platziert sind, sondern in bester Lage in den größten Zentren.
„Der Trend wird anziehen. Es ist gut möglich, dass der Konzern jene Flächen übernimmt, die große Kaufhäuser wie Karstadt aufgeben“, schätzt Peter Frank. Diese Aussichten lassen längst nicht jeden frohlocken. In Wuppertal ist eine Filiale am Döppersberg geplant. Die Grünen fragen, ob man den Billig-Tempel an derart exponierter Stelle haben will. Bei der Eröffnung in Berlin skandierten Demonstranten „Mörder-Preise“, nachdem die Produktionsbedingungen in Billiglohnländern in die Kritik geraten waren. Auch in Krefeld sind Proteste angekündigt.
Wenn man die Düsseldorfer Kunden damit konfrontiert, fühlt man sich wie ein Spaßverderber. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob das Extrem-Shoppen wirklich sein muss. Selma (21) bringt es auf den Punkt: „Hier kann sich fast Jeder ein komplettes Outfit kaufen — einfach so. Dieses Gefühl macht süchtig.“