Herr Solmecke, wäre eine Videoüberwachung, eine auf das Vorgartenbeet gerichtete Kamera zulässig? Und kommt es dabei darauf an, ob der Kamerawinkel auch den Gehweg erfasst?
Private Videoüberwachung am und im Haus Die Videokamera als Abwehrwaffe - Was ist erlaubt und was nicht?
Düsseldorf · Ein Wohnungseigentümer droht einem Hundehalter mit Internetpranger, wenn das Tier weiter sein Geschäft im Vorgarten erledigt. Wie weit darf eine private Videoüberwachung gehen?
Eine Düsseldorfer Wohnungseigentümergemeinschaft fühlt sich gestört: In ihrem Vorgarten lässt ein Hundehalter sein Tier immer wieder sein Geschäft verrichten. Was tun? Eben das besprechen die Eigentümer auf ihrer Versammlung, können sich aber nicht einigen. Einer schreitet dann doch zur Tat. In einen Blumenkübel vor dem Haus stellt er ein großes Schild. In roter Überschrift heißt es da: „Neu. 24 h Videoüberwachung.“ Und dann folgt der Text: „Diese Information richtet sich an den Hundehalter ohne Kinderstube, dessen Hund hier regelmäßig sein großes Geschäft verrichtet und es nicht entfernt. Diesen Hundehalter werden wir anzeigen und/oder ins Netz stellen, wenn er sein Verhalten nicht ändert.“
Tatsächlich ist jedenfalls bislang keine Videokamera installiert. Wohl aber gibt es eine Kameraattrappe im Hausflur.
Eine der Wohnungseigentümerinnen ist mit diesem eigenmächtigen Vorgehen der Nachbarn nicht einverstanden. Weil es hier um sehr grundsätzliche Fragen geht, was in puncto privater Videoüberwachung erlaubt ist und was nicht, haben wir den Fall einem Rechtsexperten vorgelegt, dem Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke. Und ihm einige Fragen dazu gestellt.
Christian Solmecke: Eine Videoüberwachung des eigenen Einfamilienhauses und des eigenen, allein genutzten Grundstücks ist zunächst einmal grundsätzlich zulässig. Eine solche Überwachung ist von der Wahrnehmung des Hausrechts gedeckt. Und auch der Eingangsbereich beziehungsweise das Vorgartenbeet einer Wohnungseigentumsanlage kann mit einer Videokamera überwacht werden, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von Dritten, deren Verhalten mit überwacht wird, überwiegt und die Ausgestaltung der Überwachung rechtmäßig erfolgt. Allerdings endet die Überwachungsbefugnis regelmäßig an den eigenen Grundstücksgrenzen. Die Videoüberwachung darf daher nicht zur Folge haben, dass öffentlicher Raum, wie zum Beispiel der Gehweg, mit überwacht wird. Die Miterfassung dieser Bereiche ist unzulässig. In dem von Ihnen geschilderten Fall würde es bereits an einer Überwachung im Interesse der Gemeinschaft fehlen. Denn hier würde eine Überwachung ausschließlich durch einen einzelnen Bewohner erfolgen. Eine derartige Maßnahme ist bereits deshalb unzulässig, da es hierfür unter anderem an der erforderlichen Beschlussfassung fehlt.
Wäre denn eine Kamera-Attrappe zulässig?
Solmecke: Auch das Anbringen einer Kameraattrappe erweckt den Eindruck, dass man tatsächlich videoüberwacht wird. Hierdurch kann bei Betroffenen ein Überwachungsdruck hervorgerufen werden, der eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts darstellen und möglicherweise zivilrechtliche Abwehransprüche auslösen kann. Schließlich ist die fehlende Funktionsfähigkeit der Kamera in der Regel nicht erkennbar. Für Attrappen sollten deshalb die gleichen Pflichten gelten wie für echte Kameras.
Wäre eine auf den öffentlichen Raum gerichtete Videokamera denn nicht dadurch zulässig, weil durch den roten Warnhinweis doch jeder Passant darauf aufmerksam gemacht wird und sein Verhalten entsprechend anpassen kann?
Solmecke: Aus rechtlicher Sicht ist zunächst immer anzuraten, dass zumindest auf den Umstand der Videoüberwachung innerhalb der Grundstücksgrenzen hingewiesen wird. Ein videoüberwachter Vorgarten samt Beet oder Eingangsbereich eines Hauses muss schließlich auch von Besuchern oder Postboten durchschritten werden. Allein das Aufstellen einer geeigneten Beschilderung führt aber nicht zur Zulässigkeit einer ansonsten rechtswidrigen Videoüberwachung des öffentlichen Raumes. Zumal hier gesagt werden muss, dass der angebrachte Warnhinweis in keiner Weise den strengen Informationspflichten eines rechtmäßigen Hinweises genügt.
Nehmen wir mal an, es wäre tatsächlich eine funktionsfähige Videokamera installiert. Und damit werden dann Hund und Halter auf frischer Tat ertappt, das heißt gefilmt. Und die Aufnahme würde auf einer Internetplattform quasi wie ein Pranger veröffentlicht. Welche Rechte hätte der Gefilmte? Und hätte er diese Rechte gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, die das Schild ja gar nicht abgesegnet hat?
Solmecke: Da Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, würde durch die Veröffentlichung der Hundehalter in seinem Recht am eigenen Bild verletzt. Da hier keine Einwilligung vorliegen würde, würde die Verbreitung des Fotos die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten verletzen und gegen § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) verstoßen. Gegen den unmittelbaren Verletzer (nicht gegen die Eigentümergemeinschaft) bestünden dann Ansprüche auf Unterlassung, die außergerichtlich per Abmahnung und gegebenenfalls einstweiliger Verfügung beziehungsweise Klage verfolgt werden. Der Verletzer muss die entstehenden Anwalts- und Gerichtskosten ersetzen. Da die Rechtsverletzung vorsätzlich erfolgt wäre, würden dem Hundehalter darüber hinaus Ansprüche auf Schadensersatz und unter Umständen sogar auf Zahlung einer Geldentschädigung (Schmerzensgeld) zustehen.
Was kann der einzelne Wohnungseigentümer tun, der mit dem Schild nicht einverstanden ist? Dürfte er es einfach entsorgen, oder wäre das seinerseits eine strafbare Sachbeschädigung?
Solmecke: Der einzelne Wohnungseigentümer hat Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, die er geltend machen kann, da eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums immer auch das Sondereigentum berührt. Unter Fristsetzung sollte der Nachbar zunächst zur Beseitigung aufgefordert werden. Von einer eigenmächtigen Entsorgung ist abzuraten.
Kommen wir zu der Kamerattrappe im Hausflur. Was kann der Wohnungseigentümer oder auch ein Mieter tun, der mit dieser oder auch einer echten Kamera nicht einverstanden ist?
Solmecke: In dem von Ihnen genannten Fall greift die Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Miteigentümer sowie der Besucher und Mieter des Wohnhauses ein. Daher kann gemäß §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 Wohnungseigentümergesetz in Verbindung mit § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch die Beseitigung der Kameraanlage verlangt werden.
Schließlich noch zum Auslöser des Streits: Was droht dem Hundehalter, der, wie es auf dem Schild heißt, „angezeigt“ wird. Bußgeld wegen der Hundehaufen?
Solmecke: Die Hinterlassenschaften eines Hundes sind rechtlich gesehen „Abfall“ im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Der Hundehalter ist zur Beseitigung der Hinterlassenschaften seines Hundes verpflichtet. Missachtet er diese Pflicht, so begeht er eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), die mit einem Bußgeld geahndet wird (in Köln z.B. 35 bis 250 Euro). Dies gilt nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch auf einem Privatgrundstück, denn auch hier hat der Hundehalter den Kot sachgerecht zu entfernen. Ganz nebenbei handelt es sich dabei um unbefugtes Betreten. Grundsätzlich könnte der Eigentümer den Kot durch eine Firma beseitigen lassen und dem Hundehalter die Kosten in Rechnung stellen. In einem Extremfall vor dem Amtsgericht München hatte ein Hausbesitzer 3500 Euro für die Reinigung des Gartens gefordert.