Promis ungeschminkt: Ehrlich schön oder nur Marketing?
New York (dpa) - Irgendwie nackt, nahbar, im ersten Moment ungewöhnlich sieht Alicia Keys aus. Im Gesicht des Weltstars sind winzige Unebenheiten auf der Haut zu sehen, weder Wimperntusche, noch Lidstrich zu erkennen - die Sängerin steht offenbar völlig ungeschminkt auf dem roten Teppich.
Und nicht nur das - neuerdings sieht man die 35-Jährige eigentlich fast nur noch so. Und andere prominente Damen machen mit: Auch Heidi Klum zeigte sich (ausgerechnet) bei der New York Fashion Week ohne Schminke im Gesicht. Dazu schrieb sie: #barefaced - also mit nacktem Gesicht.
„Oben ohne“ betitelte die „Süddeutsche Zeitung“ einen Artikel zu den plötzlich so natürlichen Stars. Frauen, deren Job es ist, perfekt auszusehen, zeigen sich gewollt unperfekt. Nächstes Beispiel: US-Model und It-Girl Gigi Hadid. Auch sie veröffentlicht neben glamourösen Aufnahmen von Fotoshootings immer wieder Bilder von sich mit zerzaustem Haar und - zumindest dem Anschein nach - ungeschminkt.
Alicia Keys schrieb im Mai in einem Essay, die wertende Welt des Entertainments sei ihre bislang härteste Prüfung gewesen. Sie sei mehr denn je zu einem Chamäleon geworden. „Ich war nie komplett ich selbst, sondern veränderte mich ständig, damit 'die' alle mich akzeptierten.“ Jedes Mal, wenn sie ungeschminkt das Haus verließ, war sie in Sorge: „Was, wenn jemand ein Foto machen will?? Was, wenn sie das POSTEN???“
Aber dann kam ein Sinneswandel: Ungeschminkt, mit Baseballcap und Sweatshirt ging die Mutter zweier Söhne zu einem Fotoshooting - eigentlich, um sich dort stylen zu lassen. Aber die Fotografin wollte sie so, wie sie war - „roh und echt“. Keys war schockiert: „Ich will echt sein, aber dies könnte zu echt sein!!“ Nie zuvor habe sie sich so stark, frei und aufrichtig schön gefühlt. Damit ging es los - der Hashtag #nomakeup. Mit dem Foto aus dem rohen und echten Shooting bewarb Keys aber auch ein Lied aus ihrem neuen Album - alles nur eine ausgeklügelte Marketingstrategie, wie manche Kritiker meinen?
Klar ist: Wer im Mode- und Showgeschäft das Unperfekte zeigt, erregt Aufmerksamkeit. Das machen sich beispielsweise auch Modeschöpfer zunutze, schicken etwa bei der Berliner Modewoche ältere Modelle auf den Laufsteg. Die Modekette H&M wirbt im Spot zur Herbstkollektion 2016 ebenfalls mit „echten“ Frauen - dort sind Speckröllchen und obendrein noch Achselhaare zu sehen.
Die Models, Schauspielerinnen und Sängerinnen kennzeichnen ihre Fotos nicht immer mit #barefaced oder #nomakeup - aber viele zeigen sich auffällig natürlich. Etwa Hollywoodstar Gwyneth Paltrow, Sängerin Taylor Swift oder Supermodel Cindy Crawford. Komikerin Amy Schumer geht noch einen Schritt weiter: Sie fing sich in Paris eine Lebensmittelvergiftung ein und teilte die durchaus unglamourösen Fotos mit ihren Fans. Ein Star blässlich und im Krankenbett - fast zum Anfassen nah.
Tatsächlich ermöglichen Instagram, Twitter und Co den Fans völlig neue Einblicke in den Alltag der Superstars. Private Fotos, Blicke hinter die Kulissen - in die eigene Wohnung. Womöglich ist da das ungeschminkte Gesicht nur ein logischer weiterer Schritt - auch, um Nähe zu den Fans zu erzeugen. Schließlich sind Follower zu einer Art Währung im Showbusiness geworden.
Die Stars zeigten damit aber auch Selbstzufriedenheit oder tatsächliche Schönheit, sagt Birgit A. Eggerding, Vizepräsidentin vom Bundesverband Farbe Stil Image. Für die Fans habe das auch Vorbildcharakter. Nackt im Gesicht ist modern.
Doch gerade wer im Scheinwerferlicht arbeitet, der hat vielleicht noch andere Gründe dafür, in der Freizeit auf Make-up zu verzichten. Schließlich seien Schauspieler und Co. an Drehtagen und auf der Bühne oft dick geschminkt, sagt Eggerding. „So ist es durchaus verständlich, dass an freien Tagen keine Schminke zum Einsatz kommt.“ Es stimme also keinesfalls, dass ungeschminkt auch ungepflegt bedeute. Darüber zu lästern, schließlich gibt es immer auch Kritik an solchen Fotos, findet sie unangebracht: „Die Unart, sich in Sozialen Netzwerken über naturbelassene Gesichter lustig zu machen, sollte man sich abschminken!“