Proteste nach mutmaßlichem Studenten-Massaker in Mexiko
Mexiko-Stadt (dpa) - Die 43 vor sechs Wochen in Mexiko verschleppten Studenten sind wahrscheinlich tot. Das Geständnis von drei mutmaßlichen Kriminellen versetzt dem Land einen Schock.
„Mexiko trägt Trauer und ist so empört wie noch nie“, sagte am Samstag der Sprecher der Bewegung 43x43, José Alcaraz García. Aus Solidarität mit den Opfern marschieren Vertreter sozialer Organisationen vom Bundesstaat Guerrero auf die Hauptstadt zu.
Am Freitag hatte die Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass drei Verdächtige den Mord an den Lehramtsstudenten eingeräumt hätten. Die Ermittler zeigten Videos der Verhöre, in denen die Männer die Tat detailliert schildern. Sie hätten eine größere Gruppe getötet und die Leichen verbrannt.
Die Wut entlädt sich auch auf der Straße: Aufgebrachte Demonstranten versuchten am Samstagabend (Ortszeit), den Nationalpalast in der Hauptstadt zu stürmen. Sie legten Feuer an einer der Pforten des Gebäudes am zentralen Platz Zócalo in Mexiko-Stadt. Zuvor hatten sie vor dem Sitz der Generalstaatsanwaltschaft Aufklärung über das Schicksal der jungen Leute gefordert.
Auch in Guerreros Hauptstadt Chilpancingo griffen vermummte Demonstranten die Provinzregierung an. Sie steckten mehrere Autos vor dem Regierungssitz an und schleuderten Steine auf das Gebäude. „Lebend habt ihr sie uns genommen, lebend wollen wir sie zurück“, sprühten die Demonstranten an eine Wand.
Nahe der Ortschaft Cocula in Guerrero entdeckten die Ermittler Asche und Zähne. „Ohne Zweifel hat es dort einen Massenmord gegeben. Wir müssen jetzt die Toten identifizieren, um zu klären, ob es sich wirklich um die Studenten handelt“, sagte Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam. Bis es so weit ist, gelten die jungen Leute offiziell weiter als vermisst. Die Proben werden in einem Universitätslabor im österreichischen Innsbruck untersucht.
Ende September waren die Studenten eines linksgerichteten Lehrerseminars in der Stadt Iguala von Polizisten verschleppt worden. Später wurden sie Zeugenaussagen zufolge an Mitglieder der Bande „Guerreros Unidos“ übergeben. Die Verdächtigen sagten nun, sie hätten die Entführten getötet, ihre Leichen mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt. Die sterblichen Überreste seien in einen Fluss geworfen worden.
Drahtzieher der Tat soll das Bürgermeister-Ehepaar von Iguala sein. Anscheinend wollte Rathauschef José Luis Abarca verhindern, dass die Studenten eine Rede seiner Frau als Vorsitzende des örtlichen Wohlfahrtsverbands stören. Die Lehramtsstudenten sind Indios aus einfachen Verhältnissen und für ihren politischen Aktivismus bekannt.
Der Fall könnte Mexiko in eine tiefe Krise stürzen. So deutlich wie selten zuvor legt das Verbrechen die engen Verbindungen zwischen staatlichen Institutionen und der organisierten Kriminalität offen. „Das Herz des Verbrechens sind nicht die Drogenhändler, sondern die Politiker“, sagte der Sicherheitsexperte Edgardo Buscaglia.
Menschenrechtler erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörden. „Korruption und Gewalt sind seit Jahren offensichtlich. Wer sie ignoriert, hat sich zum Komplizen in dieser Tragödie gemacht“, sagte die Amerika-Beauftragte von Amnesty International, Erika Guevara-Rosas.
Präsident Enrique Peña Nieto sagte am Freitag: „Unsere Nation erlebt schwierige Zeiten. Die Ereignisse von Iguala empören uns alle.“ Er gebe den Familien der Verschwundenen und allen Mexikanern sein Wort: „Wir werden nicht innehalten, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist.“ Die Angehörigen misstrauen den Behörden allerdings. „Es war der Staat, der die Jungs entführt hat“, sagte der Sprecher der Opferfamilien, Felipe de la Cruz.