„Munition für Lobbyisten“ Prozess um Datenklau im Gesundheitsministerium
Berlin (dpa) - Rund fünf Jahre nach Bekanntwerden eines mutmaßlichen Datendiebstahls im Bundesgesundheitsministerium hat vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen einen Lobbyisten und einen Computerexperten begonnen.
Der damalige Systemadministrator im Ministerium soll E-Mail-Postfächer der Staatssekretäre ausgespäht und dem Interessenvertreter der Apothekerschaft Interna verkauft haben. Weil Verteidiger die Besetzung des Gerichts rügten, endete der erste Prozesstag schon vor Verlesung der Anklage.
Der 44-jährige IT-Experte, der damals externer Mitarbeiter im Ministerium war, soll seine Stellung ausgenutzt und in der Zeit von 2009 bis 2012 bestimmte, kennwortgeschützte E-Mail-Postfächer ausgespäht haben. Diese sollen ihm laut Ermittlungen zuvor durch den Lobbyisten benannt worden sein. Im Gegenzug für zugespielte Interna habe der damalige Apotheken-Lobbyist insgesamt 26.550 Euro gezahlt. 40 mutmaßliche Taten sind angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich der Lobbyist einen Wissensvorsprung bei Gesetz- und Verordnungsentwürfen des Ministeriums in Bezug zur Apothekerschaft verschaffen wollte. Der Ankläger sprach am Rande des Prozesses von „Munition für Lobbyisten“. So seien interne Informationen nach außen gedrungen und in einem Branchendienst veröffentlicht worden.
Das Verfahren war 2012 nach einem anonymen Hinweis an das Ministerium ins Rollen gekommen. Im November 2012 soll es eine Durchsuchung des Landeskriminalamtes bei dem IT-Spezialisten gegeben haben. Dem mutmaßlichen Datenspion sei es aber nicht leicht gemacht worden, sagte der Staatsanwalt. Nachlässigkeiten bei Sicherheitsmaßnahmen habe es nicht gegeben.
Die Anklage wegen Ausspähens von Daten und Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz wurde Ende 2013 erhoben. Bislang hätten sich die Beschuldigten nicht zu den Vorwürfen geäußert, so der Ankläger. Es wird mit einer längeren Verhandlung gerechnet: 16 weitere Prozesstage bis Ende April sind angesetzt und 27 Zeugen geladen.
Zu Prozessbeginn rügte ein Verteidiger die Gerichtsbesetzung und erklärte unter anderem, die Kammer sei nicht zuständig für den Fall. Die 1. Große Strafkammer will bis zum zweiten Verhandlungstag am 12. Januar über den Antrag entscheiden.