Quantenmaschine zur Top-Erfindung 2010 gekürt
New York/Washington (dpa) - Mit einer winzigen Maschine, nicht größer als der Durchmesser eines Haars, hat die Wissenschaft 2010 das Zeitalter der Quantenmechanik eingeläutet. Das renommierte US-Journal „Science“ feiert die Arbeit zweier Physiker aus Kalifornien als „Durchbruch dieses Jahres“.
Sie krönt die Liste der Top-Ten, die das Magazin traditionell zum Ende eines Jahres unter den Erfolgen der Forschung auswählt.
Die Quantenmaschine sei das erste künstliche Objekt, das nicht den Gesetzen der klassischen Mechanik folge, heißt es zur Begründung in der „Science“-Ausgabe vom Freitag. Vielmehr reagiere die winzige Maschine wie ein Atom oder Molekül und flitze ständig herum. Andrew Cleland und John Martinis aus Santa Barbara hätten sie gleichzeitig in minimale und maximale Schwingungen versetzt, „ein Phänomen, das nur die Quantenmechanik erlaubt“, heißt es in „Science“.
Abgesehen von dem Beginn einer neuen Ära sehen die Redakteure und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Journals auch praktische Nutzen: Der Prototyp könnte den Weg zur Kontrolle über die Vibrationen eines Objekts auf der Quantenebene bahnen und zu ultrasensitiven Bewegungsdetektoren führen. Nicht zuletzt werde er helfen, die Grenzen der Quantenmechanik und unser Gefühl für Realität zu testen, heißt es in „Science“.
Als Meilenstein der Biotechnologie würdigt „Science“ das erste synthetisch erzeugte Erbgut. Ein Team um den Genforscher und Unternehmer Craig Venter, der auch als erster eine Blaupause des menschlichen Genoms erstellt hatte, tauschte das Erbgut eines Bakteriums mit künstlich produzierten Genen aus. Der Erfolg soll die Produktion von Biotreibstoffen und maßgeschneiderten Medikamenten vorantreiben.
Wie unterscheiden sich die Neandertaler vom modernen Menschen? Die Antwort liefert das Erbgut von drei weiblichen Neandertalern, die irgendwann vor 38 000 bis 44 000 Jahren im Gebiet des heutigen Kroatiens gelebt hatten. Verbesserte Sequenzierungsverfahren halfen, die nötigen Informationen aus den verwitterten Knochen zu gewinnen. Ergebnis: Europäer und Asiaten haben ein bis vier Prozent ihrer Gene vom Neandertaler geerbt.
Überhaupt legt die Genomforschung immer mehr Tempo zu und wird zudem preiswerter. Die Fülle der Daten vervollkommne das Bild von den genetischen Eigenarten des Menschen und den Unterschieden zu anderen Lebewesen zunehmend, schreiben die „Science“-Autoren.
Fortschritte honoriert das Journal auch bei der Diagnose von Krankheiten etwa durch das Rückprogrammieren hochspezifizierter Zellen in ihren Urzustand von embryonalen Stammzellen. Gut voran kommt demnach auch die Suche nach den genetischen Wurzeln erblich bedingter Leiden. Einen Hoffnungsschimmer gibt es bei der Vorbeugung gegen den Aidserreger HIV. Ein Gel und eine allerdings noch sehr teure Pille verringern das Infektionsrisiko um ein Drittel bis fast auf die Hälfte.
In einem zusätzlichen Rückblick beleuchtet „Science“ auch die wichtigsten Errungenschaft der Wissenschaft im letzten Jahrzehnt. Dazu gehört die Einsicht, dass der Teil des Erbguts, der zunächst als „Junk DNA“ (Abfall-DNA) abgetan wurde, genauso aufschlussreich ist wie seine Gene. In Ermangelung detaillierter Kenntnisse wurde er umbenannt in „Dark Genome“, das noch im Dunkeln verborgene Erbgut. In der Medizin verleiht „Science“ der neuen Erkenntnis Gewicht, dass Entzündungsherde im Körper chronische und schwere Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, Gefäßverkalkung, Diabetes und Fettleibigkeit zum Ausbruch bringen können.
Drastische Erkenntnisgewinne verbuchte die Kosmologie. Neue Daten vom Inhalt des Universums, die dunkle Masse und die dunkle Energie bereicherten das Wissen seit 2000 so weit, dass kaum noch Zweifel an der Standardtheorie geäußert werden, heißt es in „Science“. Große Bedeutung misst das Journal der Entdeckung von Wasser auf dem Mars zu, die Spekulationen über früheres Leben auf dem Roten Planeten anheize. Fast 500 davor unbekannte Planeten außerhalb unseres Sonnensystems haben Astronomen in den letzten Jahren gefunden - und die Zahl zeigt weiter an.
Die Fachzeitschrift wird vom größten interdisziplinären Wissenschaftsverband der Welt (AAAS) in Washington herausgegeben.