Archäologie Ramses-Statue bringt Aufmerksamkeit in Kairoer Slum
Kairo (dpa) - „Schaut, schaut! Ramses ist hier!“, rufen Dutzende junge Männer, die tanzend und klatschend in der Sonne stehen. Hinter Sicherheitskräften feiern die Bewohner des östlichen Kairoer Stadtteils al-Matarija lautstark die plötzliche Aufmerksamkeit, die die arme Gegend seit kurzem erhält.
Vertreter von Medien und Behörden sowie Sicherheitspersonal versammeln sich an der Fundstelle. Zwischen roten Backsteinhäusern hat hier ein ägyptisch-deutsches Archäologen-Team Teile einer massiven Statue aus dem Boden gezogen. Sie soll Ramses II. darstellen, einen der mächtigsten Pharaonen des alten Ägyptens. Die Entdeckung der acht Meter großen, im Grundwasser versunkenen Figur beschreiben ägyptische Behörden und auswärtige Archäologen als den größten Fund der vergangenen Jahre.
Al-Matarija war einmal Teil der antiken Stadt Heliopolis, der Stadt der Sonne. Archäologen schätzen, dass die Statue Ramses darstellt, da an diesem Ort auch Ruinen eines seiner Tempel gefunden wurden.
Nach Angaben von Dietrich Raue, Chef des deutschen Teams, ist Al-Matarija der Ort, an dem in der ägyptischen Mythologie die Welt erschaffen wurde. „Hier steigt der Sonnengott von einem Hügel empor. Das war der erste Sonnenaufgang der Welt und der Moment, in dem sich die Welt entfaltete“, sagt Raue. Der Wissenschaftler der Universität Leipzig arbeitet seit den späten 1980er Jahren in Ägypten. „Al-Matarija ist so wichtig für die alte ägyptische Kultur, hier liegt der Anfang von allem. Und ich bin sicher, dass wir hier noch viel mehr finden können.“
Ramses II. wurde auch „der Große“ genannt. Der für seine Kriegszüge und Bautätigkeit bekannte Pharao herrschte ab 1279 v. Chr. für 66 Jahre über Ägypten. Er ließ unter anderem den berühmten Tempel von Abu Simbel im Süden des Landes erbauen.
Die Archäologen graben bereits seit 2012 in dem Bezirk im Norden Kairos. „Es ist eine Frage von Zeit und Geld“, sagt Raue. Er würde hier gerne weitere Ausgrabungen durchführen.
Doch einige Teile der Statue blieben nach der Ausgrabung in den vergangenen Tagen einfach auf dem Boden liegen. Eine hitzige Debatte entbrannte. Viele warfen den Behörden Nachlässigkeit vor. Antikenminister Khaled al-Anani gibt zu, dass es ein Fehler gewesen sei, die Artefakte liegengelassen zu haben. Künftig solle sich so etwas nicht wiederholen. „Wir alle wissen von dem fehlenden Bewusstsein für die Bedeutung dieser Monumente“, sagt al-Anani.
Das zeigt sich zum Beispiel, als Mohamed, ein Bewohner von al-Matarija, fragt, wer dieser Ramses sei. Mohammed ist Anfang 20 und wartet in seiner Rikscha nahe der Fundstelle auf Kundschaft. Zwar sei er froh über die vielen neuen Kunden in der Gegend. Aber er sei der Meinung, dass die Behörden die Statue verkaufen sollten, um dem Stadtteil zu helfen.
Nach offiziellen Angaben wohnen rund 700 000 Menschen in dem etwa vier Quadratkilometer großen al-Matarija. Für Ausgrabungen ist das eine Herausforderung. „Ich würde gerne weiter graben“, sagt al-Anani und deutet auf Häuser neben der Fundstelle. „Wenn die Beine der Statue noch vergraben sind, dann wahrscheinlich in dieser Richtung.“ Dort zu graben, werde nicht möglich sein.
Gleichzeitig zerstreut er Ängste, dass nun Bewohner illegal Ausgrabungen durchführen könnten. „Hier? Nein. Aber wir müssen weiter gemeinsam daran arbeiten, dass die Bewohner hier auf lange Sicht ein Bewusstsein für den Schutz ihres Lebens und der Antiquitäten entwickeln.“
Die Aufmerksamkeit wird wohl rasch wieder schwinden, wenn die Ausgrabungsstücke in einem Museum untergebracht worden sind. Al-Matarija in ein Open-Air-Museum wie die Karnak-Tempelanlagen nahe Luxor zu verwandeln, sei unmöglich, sagt der deutsche Archäologe Raue. „Wir können die Objekte nicht hier lassen. Erstens liegen alle wichtigen Monumente unter Wasser, und zweitens können wir die Menschen nicht bitten umzuziehen, nur weil wir hier Archäologie betreiben wollen. Deshalb müssen wir Kompromisse finden zwischen den Anforderungen einer modernen Stadt und den Ausgrabungen.“