Rathaussturm und Krawattenjagd - Die Narren regieren
Köln/Mainz (dpa) - Pünktlich auf die Minute ist am Donnerstag um 11.11 Uhr wieder der karnevalistische Frohsinn ausgebrochen.
In Düsseldorf stürmten die Möhnen (närrischen Frauen) an Weiberfastnacht das Rathaus und nahmen den Bürgermeister gefangen. In Köln ließ das Dreigestirn die Narren los. In Mainz gingen die Weiber auf Krawattenjagd. Zehntausende feierten in den Straßen und auf den Plätzen der Karnevalshochburgen - sangen, tranken und flirteten.
Weil es ziemlich kalt war, blieben die Besucherzahlen etwa in Köln hinter den Erwartungen zurück. Die Polizei hatte weniger zu tun als in den Vorjahren. „Es ist wirklich ruhiger“, sagte eine Sprecherin. Bis zum Nachmittag gingen die Beamten unter anderem gegen 114 Wildpinkler vor (112 Männer, 2 Frauen). Nordrhein-Westfalens Polizei kündigte für die „Tollen Tage“ zusätzliche Alkohol- und Drogenkontrollen an. In den rheinland-pfälzischen Städten Trier und Bad Kreuznach war Alkohol auf öffentlichen Plätzen verboten.
Eindeutige Kostümtrends waren auf den Straßen nicht erkennbar. Die Palette reichte von Klassikern wie Pirat oder Indianer über Tierkostüme bis hin zu Filmhelden wie Darth Vader und Jedi-Ritter.
Der Amerikaner Nima Saifizadeh (21), der sich gerade auf Weltreise befindet, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Ich wollte eigentlich in Rio de Janeiro Karneval feiern, aber das wäre zu teuer gewesen. Darum verkleide ich mich einfach als Brasilianer und feiere in Köln.“
Michael (45) aus Basel feierte im Kardinalskostüm vor dem Kölner Dom: „Erst hab' ich ja noch überlegt, ob ich in diesen Zeiten als Kardinal gehen soll. Aber jetzt hat die Kirche mit der "Pille danach" ja doch noch Einsicht gezeigt. Das Kostüm ist also kein Problem mehr.“
Tief im Südwesten der Republik starteten die Narren mit Musik und Lärm in den „Schmotzigen Dunschtig“. In Konstanz zogen Dutzende „Blätzlebueben“ mit ihren Laternen durch die verschneiten Straßen. Große Teile Deutschlands erwiesen sich dagegen als nicht karnevalisierbar. Während die Frauen anderswo ihre Scheren zückten, blieben Männerschlipse zum Beispiel in Berliner Büros unversehrt.
Die ursprüngliche Bedeutung des Karnevals aus dem Mittelalter besteht darin, die Welt für einige Tage auf den Kopf zu stellen und die Rolle zu tauschen. Nonnen durften sich danebenbenehmen, Knechte ihre Herren ausschimpfen. Dieser Gedanke ist bis heute lebendig.
Der fünfjährige Lennart aus Köln, der im T-Rex-Kostüm in den Kindergarten ging, erklärte am Donnerstag: „Heute müssen die Erzieherinnen machen, was ich will!“
Dass im Karneval fast alles anders ist, musste auch eine Kundin beim Shoppen in Aachen feststellen. Die Frau meldete sich um 13.30 Uhr per Handy und Notruf aus einem Bekleidungsgeschäft: Alle Türen seien zu, alles sei dunkel und niemand mehr da, berichtete sie der Polizei. Die Frau hatte beim Anprobieren die Zeit vergessen. Das Schild zum vorgezogenen Ladenschluss an Weiberfastnacht hatte sie nicht bemerkt.