Razzia in Solingen: „Jetzt hat das Theater ein Ende“
Die Salafisten mit ihren Gewändern und Bärten erzeugen in Solingen ein Klima der Angst.
Solingen. Auch Stunden nach der Razzia in der Hinterhof-Moschee an der Konrad-Adenauer-Straße in Solingen stehen Mannschaftswagen der Polizei in der Einfahrt zum Hof, am nahe gelegenen Rathausplatz und in der Umgebung. Vier junge Männer, teils mit Bart und im Gewand, sitzen vor dem Rathaus, umringt von Polizisten. Ihre Personalien werden festgestellt, sie verlangen im Gegenzug Visitenkarten und dürfen dann gehen. Am Morgen wurden hier die Räume des Vereins Millatu Ibrahim bei einer Razzia durchsucht.
„Schon wieder so viel Polizei“, zeigt sich ein Passant besorgt. Am 1. Mai hatte die rechte Splitterpartei Pro NRW vor dem Rathaus gegen Islamisierung protestiert, Anhänger der Salafisten warfen Steine, die Situation eskalierte. 81 Personen kamen in Polizeigewahrsam.
Die Erinnerungen daran sind noch frisch, jetzt, da die dritte Razzia stattfindet. „Die meisten haben anfangs kaum etwas mitbekommen“, sagt Annette Form, Inhaberin eines Spielwarengeschäfts gegenüber der Hinterhof-Moschee. „Aber in den vergangenen Wochen haben mir Kunden erzählt, sie hätten Angst, hier überhaupt noch auszusteigen.“
Der Stadtteil habe mit Problemen zu kämpfen, aber die Salafisten „haben dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt“. Ansonsten sei das Verhältnis mit den Nachbarn, überwiegend türkische Geschäftsleute, sehr gut. Erdal Özdil, Inhaber des Café Atatürk, fordert Beweise gegen die Salafisten, stellt aber klar: „Wenn die irgendetwas mit Terror zu tun haben, ist es gut, dass sie weg sind.“ Das Auftreten der Moscheebesucher fand er suspekt. „Die Kleidung und die langen Bärte stören mich, das hat etwas von Uniform.“
Beim Integrations- und Kulturverein, der wenige Häuser weiter eine Moschee hat, sind sie erleichtert. „Jetzt hat das Theater endlich mal ein Ende“, sagt Dilaver Acer. Der Verein ist oft mit den Salafisten verwechselt worden. Darunter hatten sie zu leiden. Acer sorgt sich aber auch: „Das bleibt wieder am Islam als Ganzes hängen und zieht meine friedliche Religion in den Dreck.“
Viele der Passanten sprechen über die Salafisten, fragt man sie aber nach ihren Namen, wollen sie den lieber nicht nennen. „Es ist schon ein anderes Klima, seit die hier sind“, meint ein Anwohner, der seit 40 Jahren in Solingen lebt und „ein bisschen Angst hat“. Hans-Werner Bertl (SPD), Sprecher des Bündnisses „Bunt statt Braun“ und ehemaliger Solinger Bundestagsabgeordneter, bezeichnet den Zugriff von Polizei und Verfassungsschutz als „richtige Maßnahme“. Allerdings warnt er auch vor verfrühtem Aufatmen. Durch die Razzia und das Verbot werde den Salafisten zwar zunächst finanziell und organisatorisch ein Schlag versetzt. Aber das Problem löse sich dadurch noch nicht. „Die Menschen und ihre radikalen Ideen sind ja nicht weg.“