Rio Reisers Hof verkauft
Fresenhagen (dpa) - Seine letzte Ruhe fand Rio Reiser unter einem Apfelbaum auf einem abgelegenen Bauernhof in Nordfriesland. Knapp 15 Jahre nach seinem Tod ist das Grundstück verkauft und die Leiche des Ton-Steine-Scherben-Sängers wird in dessen Geburtsstadt Berlin umgebettet.
„Es ist wirklich bedauerlich, dass es so enden musste. Aber wir konnten den Hof finanziell nicht mehr stemmen“, sagt Rios jüngerer Bruder Gert Möbius. Mit dem Verkauf des Anwesens geht eine Ära zu Ende: Der alte Bauernhof in Fresenhagen war Kommune, Künstlerdomizil, Kreativzentrum und Pilgerstätte für Rio-Reiser-Fans. 1975 hatten sich die Scherben von der Berliner Hausbesetzer-Szene in die schleswig-holsteinische Provinz zurückgezogen.
„Das Haus war auch für alle eine Fluchtmöglichkeit, eine Oase, ein Ausgang aus dem Wahnsinn des straßenkämpfenden, drogengeschwängerten, von Polizei repressierten Berlin“, sagte die frühere Band-Managerin und heutige Grünen-Vorsitzende Claudia Roth einmal. Das Zusammenleben sei kreativ und familiär, aber auch hart gewesen. „Wir lebten von 15 Mark am Tag und waren froh, wenn wir Leergut auf dem Hof gefunden haben oder meine Oma mal ein Päckchen mit Kuchen geschickt hat.“
Später geriet die Band, die mit „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ oder dem „Rauch Haus Song“ die ersten massenwirksamen Polit-Songs spielte, immer mehr in Geldnöte. 1985 lösten sich die Scherben auf, Reiser machte als Solokünstler mit Hits wie „König von Deutschland“ und „Junimond“ Karriere. Im Alter von 46 Jahren starb Ralph Möbius, so sein gebürtige Name, an Herz-Kreislauf-Versagen. Schleswig-Holsteins damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) setzte sich persönlich dafür ein, dass er auf dem Grundstück in Fresenhagen beigesetzt werden konnte.
In den folgenden Jahren wurde der Hof als Veranstaltungszentrum genutzt. Er beherbergte ein Café, ein Tonstudio und ein Museum, das die Geschichte der Scherben von den Anfangszeiten in Berlin-Kreuzberg bis hin zu Reisers Solokarriere dokumentiert. Die Ausstellungsstücke werden nun nach Berlin gebracht. „Mit Unterstützung des Senats wollen wir dort ein neues Museum aufbauen“, sagt Gert Möbius.
Sein Bruder soll voraussichtlich im Februar auf den Alten St. Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg umgebettet werden. Das sei eine gute Wahl, sagt Möbius. „In der Gemeinde wurde Rio getauft, dort haben unsere Eltern geheiratet und auf dem Friedhof sind auch die Gebrüder Grimm beerdigt.“
Das Grab unter dem Apfelbaum wird eingeebnet, der reetgedeckte Friesenhof künftig von einer Jugendeinrichtung genutzt. Natürlich stimme ihn der Verkauf des Anwesens traurig, sagt Möbius. „Doch ein Haus ist nur ein Haus. Rios Werk, seine Musik und seine Texte werden weiterleben.“