Salzburger Festspiel-Bilanz

Salzburg (dpa) - Eine 337 Jahre alte Sängerin, ein Zufallstoter bei einer Wirtshausschlägerei, ein dunkles, raunendes Heer von Ahnen: Schillernd zwischen mystisch und mysteriös, diesseitig und ewigen Werten zugeneigt zeigen sich die Salzburger Festspiele.

Im Opernprogramm wurden Janaceks Rarität „Die Sache Makropulos“ und Verdis „Macbeth“ zu den Publikumsrennern, das Theater forderte seine Zuschauer mit einem Faust-Marathon und Uraufführungen von Handke und Schimmelpfennig.

Sowohl thematisch als auch stilistisch fächern die Festspiele eine große Bandbreite auf. So zeigten sich in der Oper Regisseur Peter Stein und Dirigent Riccardo Muti mit einer sehr konventionellen Interpretation von Verdis „Macbeth“ als Hohepriester der Tradition. Der Abend fand ebenso ein begeistertes Publikum wie der Schweizer Regisseur Marthaler mit seiner konzentrierten und humorvollen Interpretation der Janacek-Oper - die Rarität wurde von Kritikern zum eigentlichen Höhepunkt der Saison ausgerufen.

Christoph Loys nüchterne Sicht auf die mythenschwere Richard-Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“ dagegen hatte es schwer, sich beim Publikum durchzusetzen. Die musikalische Interpretation durch Christian Thielemann mit den Wiener Philharmonikern allerdings wurde stürmisch gefeiert. Mit Angela Denoke in der Janacek-Oper und Anne Schwanewilms, Evelyn Herlitzius und Stephen Gould in der Strauss-Komposition sowie Genia Kühmeier und Erwin Schrott bei Mozart fanden die Opernliebhabern schnell ihre Stars.

Große Begeisterung gab es auch für Überarbeitungen zum Teil angejahrter Interpretationen von Mozarts da-Ponte-Opern, die erstmals als Zyklus aus einer Regie-Hand, nämlich Claus Guths, zu erleben sind: Ins Mozartjahr 2006 reicht die Inszenierung von „Figaros Hochzeit“ zurück, die einmal mehr Begeisterung auslöste. Seine 2009 angefeindete, strenge „Cosi fan tutte“ fand in der überarbeiteten Fassung mehr Anhänger. Entsprechend groß ist die Spannung vor „Don Giovanni“ aus dem Jahr 2008, die in der kommenden Woche einen Schlusspunkt im Opernreigen setzt.

Das Schauspiel, das erneut Thomas Oberender verantwortet, setzte mit einem gewagten „Faust“-Projekt des jungen Regisseurs Nicolaus Stemann einen markanten Auftakt. Der mehr als achtstündige Abend überzeugte Publikum und Kritik vor allem im ersten Teil mit einer hoch konzentrierten, jungen Truppe um Philipp Hochmair, Sebastian Rudolph und Patrycia Ziolkowska.

Roland Schimmelpfennigs neues Stück „Die vier Himmelsrichtungen“ wirkte daneben mit seiner knapp zweistündigen Spieldauer wie eine Miniatur - für seinen lyrischen Tonfall gefeiert und ob seiner Rätselhaftigkeit mit Distanz betrachtet. Viele Rätsel stellte auch Peter Handke mit seinem sehr persönlichen Text „Immer noch Sturm“ dem Publikum. Die Premierenzuschauer waren gewillt, dem Ensemble auf seiner vierstündigen pathetischen Reise in das südösterreichische Jauntal und seine sprachlich-politischen Verstrickungen zwischen Kärnten und Slowenien zu folgen.

Intendant Markus Hinterhäuser hat seine kurze Vorbereitungszeit für seine nur einjährige Amtszeit nach einhelliger Kritikermeinung gut genutzt: Vor allem im Konzertbereich fanden die Beobachter zahlreiche Perlen. Neben die Janacek-Oper stellte Hinterhäuser noch eine konzertante „Iolanta“ Tschaikowskis - die gab nicht nur Publikumsliebling Anna Netrebko Gelegenheit zu einem glanzvollen Auftritt, sondern auch den Festspielen die Möglichkeit, sich großzügig zu zeigen: Eine Benefiz-Vorstellung brachte über 150 000 Euro für den Wiederaufbau der vom Erdbeben zerstörten Konzerthalle von Salzburgs Partnerstadt Kawasaki in Japan.

Letztlich kamen auch die Zuschauer ohne Karten auf ihre Kosten: Trotz des häufigen Regens erwies sich der Festspielbezirk für Prominentenjäger und Society-Schwärmer als ergiebiges Feld. Die exquisiten Roben einer Anna Netrebko wurden ebenso ausgiebig bewundert wie das schillernde Outfit von Dauergast Fürstin Gloria zu Thurn und Taxis. Noch zwei Höhepunkte warten auf Theater- und Opernliebhaber: Das Opernprogramm trumpft noch mit „Don Giovanni“ auf, das Theater bietet Shakespeares Drama „Maß für Maß“ mit Bühnenstar Gert Voss.