Schau zu Rainer Werner Fassbinder in Berlin

Berlin (dpa) - Da hängt sie. Seine berühmte schwarze Lederjacke. Rainer Werner Fassbinder trug sie am Filmset und in Talkshows.

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70 Jahre alt wäre der Regie-Berserker, der schon zu Lebzeiten eine Legende war, am 31. Mai geworden. Im Berliner Martin-Gropius-Bau erinnert jetzt eine große Ausstellung an das wilde Leben und das bahnbrechende Werk von Fassbinder, der 1982 mit nur 37 Jahren starb.

Die Schau „Fassbinder - JETZT“ zeigt ab Mittwoch (bis 23. August), wie der Workaholic arbeitete und lebte - und wie Bildende Künstler heute sein Werk deuten und weiterentwickeln. Mit seinen sperrigen, gesellschaftskritischen Regiearbeiten wie „Berlin Alexanderplatz“, „Angst essen Seele auf“ und „Die Ehe der Maria Braun“ schrieb Fassbinder Filmgeschichte - bis heute gilt er vor allem auch im Ausland als maßgeblicher Vertreter des Neuen Deutschen Films der 60er und 70er Jahre. „Das waren Meteoriten, die in diese etwas vermuffte Zeit einschlugen“, sagte Gropius-Bau-Chef Gereon Sievernich am Dienstag.

Genie, Säufer, Wunderkind, Rebell und Tyrann - so wurde Fassbinder betitelt. Von Alkohol, Affären und Drogen aufgeputscht, arbeitete er wie ein Besessener. Bis zu drei Tage am Stück ohne Schlaf diktierte Fassbinder zum Beispiel das Drehbuch zur Fernsehserie „Berlin Alexanderplatz“ auf Tonband - konzentriert beschreibt er jede Einstellung. Morgens tippt seine Mutter die Bänder auf der in der Ausstellung gezeigten Schreibmaschine ab. An einer Hörstation sind Ausschnitte aus Fassbinders Diktaten zu hören.

Sein Rennrad, seine Videokassettensammlung mit den vielen Hitchcock-Filmen, sein Flipper-Automat und das monströse braune Ledersofa (auch die Ausstellungsbesucher dürfen sich daraufsetzen) aus seiner letzten Münchner Wohnung - viele private Dinge ergänzen die Dokumente, Briefe, Filmausschnitte und Interviewpassagen, in denen Fassbinder auch sich selbst inszenierte. Ein Extra-Raum ist den Kostümen gewidmet, die Barbara Baum für die Fassbinder-Schauspieler entwarf.

Da ist das hautenge Silberlamé-Kleid, das Hanna Schygulla samt Schleppe und Turban in „Lili Marlen“ trug - geschneidert aus Originalstoff aus den 20er Jahren. Rosel Zech trat in „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ in einer eleganten goldenen, mit Strass und Perlen verzierten Robe auf. Günter Lamprecht trug als Franz Biberkopf in „Berliner Alexanderplatz“ einen dreiteiligen, braun gemusterten Wollanzug.

Die vom Deutschen Filmmuseum in Frankfurt/Main konzipierte und in Kooperation mit der Rainer Werner Fassbinder Foundation entstandene Schau blickt aber nicht nur zurück - gezeigt werden auch Arbeiten Bildender Künstler, die sich von Fassbinders Werk inspirieren ließen. So greift die in Bangladesch geborene Künstlerin Runa Islam in ihrer Videoarbeit „Tuin“ Fassbinders Stilmittel der kreisenden Kamerafahrten auf und verfremdet es.

Ming Wong aus Singapur spielt in seinen Filmen tragische Schlüsselszenen aus Fassbinder-Werken mit sich selbst in allen Rollen nach. Der gebürtige Argentinier Rirkrit Tiravanija arbeitet mit dem Titel von Fassbinders mit Brigitte Mira und El Hedi ben Salem gedrehtem Film „Angst essen Seele auf“, mit dem er das Befinden der Menschen im modernen Kapitalismus kommentiert.