Immer mehr Gewalt in Berlin Schießereien wie im Kino: Kämpfe zwischen arabischen Clans
Berlin (dpa) - Meist wollen kriminelle Banden unauffällig agieren. Zu viel Aufmerksamkeit von Polizei und Öffentlichkeit ist nicht erwünscht. Konflikte regelt man eigentlich lieber intern. Doch Mitglieder der bekannten arabischen Großfamilien in Berlin greifen in letzter Zeit öfter zu den Waffen.
Polizeimeldungen und Berichte über Schießereien und Schlägereien innerhalb des Milieus häufen sich in der Hauptstadt, nahezu täglich gibt es Neuigkeiten. Manche Konflikte führen zu kinoreifen Verfolgungsjagden.
Da fährt in der Nacht zu Montag um kurz nach Mitternacht ein Auto vor einer Bar in Neukölln vor. Mindestens ein Insasse des Wagens feuert mehrere Schüsse ab. Zwei Männer im Alter von 32 und 42 Jahren, die vor der Bar stehen, brechen schwer verletzt zusammen. Die Täter fliehen. Aus dem Fluchtwagen schießen sie auf einen Verfolger, der aufgibt, als Kugeln sein Auto treffen. Die angeschossenen Männer gehören zu einer polizeibekannten arabischen Großfamilie.
Wenige Stunden zuvor eskaliert ein Streit, zahlreiche Mitglieder von zwei Clans gehen im Stadtteil Kreuzberg mit Fäusten, Pfefferspray, Schlagstöcken und einer Axt aufeinander los. Ein Mann zieht eine Schusswaffe, es bleibt aber bei einer Drohung. Erst ein Großaufgebot der Polizei kann die Lage unter Kontrolle bringen. Drei Männer werden festgenommen. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei stürmt die Wohnung eines Verdächtigen.
Wieder eine Nacht zuvor, Samstagabend im bürgerlichen Stadtteil Friedenau: Ein unbekannter Mann schießt mehrmals auf eine Dönerbude. Obwohl die Kugeln in Richtung der offenen Tür fliegen, wird niemand verletzt.
Berlins neue Polizeichefin Barbara Slowik hat unterstrichen, es werde mit Nachdruck gegen kriminelle Teile von Clans ermittelt: „Wir dulden keine rechtsfreien Räume“, sagte Slowik im August. Nach ihren Angaben sind 25 Prozent der Organisierten Kriminalität in der Stadt arabischen Clans zuzurechnen.
Arabischstämmige Großfamilien mit kriminellen Mitgliedern leben vor allem in Berlin, im Ruhrgebiet, in Niedersachsen und Bremen. In der Hauptstadt sollen es mindestens zwölf Clans mit mehreren hundert Mitgliedern sein. Von 68 großen Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität richteten sich zuletzt 14 gegen diese Strukturen.
Vor allem die abgeschotteten Familienstrukturen machen es der Polizei schwer. Viele Mitglieder dieser Familien, die kurdischer, palästinensischer oder libanesischer Herkunft sind, durften in Deutschland lange nicht arbeiten. Offiziell waren sie staatenlos und ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt. Kriminalität wurde zur Haupteinnahmequelle.
Diese Geschäfte stehen seit Monaten stärker im Fokus der Öffentlichkeit. In Zeitungen wird bereits über „blutige Revierkämpfe“ spekuliert. Auch gibt es immer wieder Polizeieinsätze.
Ende August werden bei einer Razzia gegen den organisierten Drogenhandel mehrere Männer festgenommen. Sie sollen mit ihren Autos einen Lieferservice für Rauschgift betrieben haben. Kurz davor beschlagnahmt die Staatsanwaltschaft aus dem Besitz einer Großfamilie 77 Wohnungen und Häuser im Wert von mehr als neun Millionen Euro. Es geht um den Verdacht der großangelegten Geldwäsche.
Am Mittwochmorgen schließlich stürmen Polizisten, darunter auch ein schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando, eine Wohnung und einen Internetladen im Stadtteil Neukölln. Ein 28-jähriger Mann, Mitglied eines bekannten Clans, wird festgenommen. Mit der Schießerei vom Wochenende soll die Razzia nichts zu tun haben. In der unauffälligen Wohnung in einer großen Durchgangsstraße finden die Ermittler Geld, illegale Medikamente - und scharfe Munition.