Schlachtendarstellung: Napoleon für ein Wochenende
Vor 200 Jahren wütete der Krieg zwischen Frankreichs Truppen und den europäischen Armeen. Geschichtsfans stellen Leben und Sterben von damals nach.
Leipzig. Es ist, als wäre das kleine Örtchen im Norden Sachsen-Anhalts aus der Zeit gefallen. Dicht an dicht sind weiße Stoffzelte auf Holzpfählen aufgespannt.
Ausgelegt sind sie mit Stroh. Rauch zieht durch die Luft — vor mehreren Zelten brennen Lagerfeuer. Sie beheizen altmodische Kaffeekannen und dickbauchige, schwarzgerußte Töpfe.
Noch wird hier friedlich das Leben alter Tage nachgestellt, doch die Völkerschlacht steht bevor.
Am Wegrand lagern Kanonen mit Holzrädern. Ein Spielmannszug mit Pauke und Dudelsack läuft zwischen den Zeltreihen hindurch und liefert den passenden Soundtrack. Große Banner vor den Zeltreihen verraten: Die Franzosen sind schon da. Hier leben sie friedlich neben den Preußen, Russen und Sachsen.
Hunderte Menschen campieren Anfang Oktober mehrere Tage lang in Wartenburg. In dem Ort bei Wittenberg tobte vor 200 Jahren eine Schlacht zwischen Napoleons Armee und den gegnerischen Truppen um Preußen, Russland und Österreich.
Die Hobby-Soldaten tragen originalgetreue Uniformen und Alltagskleidung der Zeit um 1815. Zahlreiche Wochenenden im Jahr versuchen sie, so zu leben wie einst Napoleon — zunächst in Wartburg, dann in Leipzig.
Zum 200. Jubiläum der Völkerschlacht bei Leipzig ahmen sie das Leben und Sterben der Befreiungskriege nach und ziehen damit dieses Jahr besonders viele Schaulustige an. Zum Höhepunkt am 20. Oktober erwarten die Veranstalter bis zu 30 000 Zuschauer am historischen Gefechtsfeld im Süden von Leipzig.
Nicht nur die Gefechte werden nachgestellt, auch der Alltag von einst. Neben den kargen Schlafstätten der Biwak-Bewohner gibt es besondere Zelte. Ein Schaulazarett zeigt die Instrumente, mit dem Ärzte die Wunden der Verletzten versorgten.
Rund 2000 Menschen in Deutschland leben hobbymäßig auf Zeit in der napoleonischen Kriegsepoche, schätzt Mitorganisator Michél Kothe aus jahrelanger Erfahrung. Der 38-Jährige ist seit 22 Jahren regelmäßig bei historischen Biwaks dabei.
Die Zeit der Koalitionskriege von 1792 bis 1815 sei die Geschichtsepoche, die hier die meisten Anhänger finde. Ebenfalls beliebt seien das Mittelalter sowie die Schlachten der Römer und Germanen, sagt Kothe. Eine Gesamtzahl der Biwak-Anhänger könne nicht genannt werden, weil der Szene ein großer gemeinsamer Dachverband fehle.
In Wartenburg sind die Hobby-Soldaten wieder für ein Wochenende rückwärts in der Zeit gereist. Peter Mechler steht mit seiner rot-blauen preußischen Uniform unter dem Zeltdach der „Preußischen Felddruckerei“. Er zeigt Repliken der originalen Feldzeitung „No.5“, die im A5-Format auf wenigen bräunlichen Seiten von der Völkerschlacht berichtet.
Diese Drucke der mitreisenden Felddruckerei seien damals die einzige Möglichkeit gewesen, die Bevölkerung in der Heimat über die Kriegs-Ereignisse zu informieren.
Während Mechler erzählt, marschiert ein neunköpfiger napoleonischer Trupp mit geschulterten Gewehren lauthals singend am Zelt vorbei. „Ich glaube, um diese Zeit vor 200 Jahren haben die Franzosen schon nicht mehr so fröhlich gesungen.
Die wussten, was auf sie zukommt“, sagt der 57-Jährige und näht einen goldenen Knopf an seinen Uniformärmel. „Aber das hier sind ja keine echten Franzosen.“