ARD-Sommerinterview Scholz will Preisexplosion bei Gas mit staatlichen Maßnahmen verhindern
Berlin · Einer drohenden Explosion bei den Gaspreisen in Deutschland will Bundeskanzler Olaf Scholz mit staatlichen Maßnahmen entgegenwirken. Die Maskenpflicht könnte im kommenden Corona-Winter wieder eine größere Rolle spielen.
Angesichts der Drosselung der russischen Gaszufuhr nach Deutschland will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine drohende Preisexplosion durch staatliche Stützungsmaßnahmen verhindern. Auf die Frage, ob eher Gasversorger oder eher Verbraucherinnen und Verbraucher geholfen werden solle, sagte Scholz am Sonntag im ARD-Sommerinterview im „Bericht aus Berlin“: „Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man auf beiden Feldern aktiv ist.“
Dies geschehe bereits. Staatliche Kredite an Versorger trügen dazu bei, „dass die Preise noch nicht durchgeschlagen sind“. Mit Blick auf den in Not geratenen größten deutschen Gasimporteur Uniper sagte Scholz: „Wir prüfen jetzt mit dem Unternehmen zusammen, was man tun kann.“
Scholz verwies auf die Lufthansa, die in der Corona-Krise mit Regierung und EU-Kommission ein neun Milliarden Euro schweres Rettungspaket ausgehandelt hatte. „Wir haben in der letzten Krise sehr genaue Instrumente entwickelt, wie man Unternehmen, die unter Druck geraten durch Umstände, die sie nicht selbst zu verantworten haben, stützen kann, auch so große“, sagte er. „Das haben wir gemacht, Beispiel Lufthansa.“ Nun werde diskutiert, was das Beste sei, um sicherzustellen, dass die Gasversorgung nicht leide, weil ein wichtiges Unternehmen sein Geschäft nicht fortsetzen könne.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Samstagabend bei einer Veranstaltung der „Zeit“ vor einer möglichen „Preisexplosion“ bei einigen Stadtwerken gewarnt. So weit kann es nach Habecks Angaben kommen, wenn Russland kein Gas mehr über die Gaspipeline Nord Stream 1 liefert und der Bund es großen Versorgern wie Uniper erlaubt, die Preise an ihre Kunden weiterzugeben, etwa Stadtwerke.
Corona in Deutschland: Laut Scholz wohl kein Lockdown mehr - Maske könnte größere Rolle spielen
Bundeskanzler Olaf Scholz hält für den kommenden Herbst und Winter nicht mehr so drastische Corona-Maßnahmen für nötig wie in den Jahren zuvor. „Schulschließungen sollte es nicht mehr geben, und ich glaube auch nicht, dass wir so einen Lockdown brauchen, wie wir ihn in den letzten Jahren hatten“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag im ARD-Sommerinterview im „Bericht aus Berlin“. Man habe inzwischen eine „völlig veränderte Situation“, sagte Scholz mit Blick auf eine Impfquote von 76 Prozent (Grundimmunisierung) in Deutschland. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte sich zuvor ähnlich geäußert.
Die Infektionszahlen steigen seit einiger Zeit, die ansteckendere Omikron-Sublinie BA.5 dominiert das Infektionsgeschehen. Experten halten dies auch für Herbst und Winter für möglich. Befürchtet wird eine erhebliche Belastung des Gesundheitssystems und der kritischen Infrastruktur. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte zuletzt vor einer deutlichen Verschärfung der Lage. Rufe nach einer schnellen rechtlichen Vorbereitung für eine Herbstwelle wurden laut. Im Frühjahr waren die Corona-Bestimmungen stark zurückgefahren worden, die bundesweite Rechtsgrundlage läuft am 23. September aus.
Kanzler Scholz kann sich vorstellen, dass Test- und Maskenpflichten im Herbst und Winter wieder eine größere Rolle spielen werden. „Es muss darüber diskutiert werden, ob die Tests wieder genutzt werden“, sagte er in der ARD. Und zur Maskenpflicht, die es hauptsächlich noch in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Einrichtungen mit Risikogruppen wie Kliniken und Pflegeheimen gibt, sagte er: „Ich glaube, dass man schon davon ausgehen muss, dass die Maske im Herbst und Winter schon eine größere Rolle spielen wird als jetzt.“ Scholz rief zugleich Menschen ab 60 Jahre zu einer vierten Impfung gegen Corona auf.
Justizminister Buschmann äußerte sich am Wochenende in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) zum Maskentragen ähnlich wie Scholz. Details nannte aber auch er nicht. Mit Blick auf den am Freitag vorgelegten Bericht eines Sachverständigenausschusses zur Wirksamkeit bisheriger Schutzmaßnahmen sagte der FDP-Politiker: „Unsere Pflicht, für verhältnismäßige gesetzliche Grundlagen zu sorgen und das zur Verfügung stehende Wissen zu nutzen, sowie der Respekt vor diesem Evaluationsgremium gebieten es, dass wir jetzt erst mal diesen Bericht auswerten. Dann schauen wir weiter.“ Nach seiner Einschätzung wird die Bundesregierung vermutlich noch im Juli ein Konzept zur Vorbereitung auf den Corona-Herbst vorlegen.
Knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland sprach sich zuletzt in einer Umfrage für sofortige schärfere Regeln aus. In einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“ bejahten 49 Prozent die Frage, ob die aktuellen Corona-Maßnahmen umgehend verschärft werden sollten. 43 Prozent waren dagegen, 8 Prozent unentschieden.
Das Gutachten des Sachverständigenausschusses war lange erwartet worden. Demnach können Schutzmaßnahmen wie das Maskentragen auch weiter gegen das Coronavirus hilfreich sein. Hinter vielen anderen bekannten Auflagen setzten die Experten aber Fragezeichen, mangels ausreichender Daten seien keine sicheren Bewertungen möglich.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte davor, vulnerable Gruppen zu vernachlässigen. Vorstand Eugen Brysch sagte der dpa, in dem „Gezerre“ um Maßnahmen komme der Schutz von hochbetagten, pflegebedürftigen und schwerstkranken Menschen unter die Räder. Allein die steigenden Ausbrüche in den rund 12 000 Pflegeheimen verlangten aber ein einheitliches und effizientes Vorgehen. Brysch forderte unter anderem eine Konzentration der PCR-Testkapazitäten auf Pflegebedürftige, Angehörige und medizinisch-pflegerisches Personal. Er verlangte vom Gesundheitsministerium, jedem Pflegebedürftigen eine kostenlose Prüfung des Immunstatus anzubieten. Das Robert Koch-Institut solle Impfempfehlungen abgeben, die den Immunstatus berücksichtigen. Schließlich benötigten Altenheime bei Ketteninfektionen externe mobile Teams zur Unterstützung bei der Pflege. Im aktuellen Wochenbericht hatte das RKI neben einem insgesamt anziehenden Infektionsgeschehen auch mehr Corona-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen konstatiert.
Die Kosten für Corona-Impfstoffe beliefen sich bis Anfang Juni auf etwa 6,8 Milliarden Euro. Wie das RND unter Berufung auf Angaben des Bundesamtes für soziale Sicherung berichtete, fielen seit Pandemiebeginn bis Ende Juni zudem für die Vergütung von Impfungen, Impfzentren, Bürger- und PCR-Tests, Schutzmasken, Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser sowie Corona-Arzneimittel 46,4 Milliarden Euro an. Addiert ergibt dies eine Summe von 53,2 Milliarden Euro.