NRW Schrottimmobilien verschandeln Straßenzüge

In der Region verfallen viele Gebäude. Die Bauaufsichtsbehörden schreiten aber erst ein, wenn Gefahr für Menschen besteht.

Foto: Stefan Fries/Michael Sieber/Uli Preuss/Judith Michaelis

Düsseldorf. Sie sind hässlich und zum Teil auch gefährlich: Sogenannte Schrottimmobilien gibt es in vielen Städten. „Das ist ganz normales Tagesgeschäft“, sagt Georg Hindermann, Referatsleiter beim Bauministerium NRW. Dem Ministerium unterstehen die rund 210 Unteren Bauaufsichtsbehörden im Land. Der Begriff Schrottimmobilien ist für Hindermann aber schwierig. Genau definiert ist er nicht. Für den einen oder anderen Bürgermeister sei das schon ein ungenutztes Gebäude, das optisch verfällt. Für die Behörden seien aber die Gebäude vorrangig, von denen auch eine Gefahr für Menschen ausgeht

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Laut Landesbauordnung ist grundsätzlich der Besitzer der Immobilie dafür verantwortlich. „Wenn der seinen Pflichten nicht nachkommt, muss die Untere Bauaufsichtsbehörde für Sicherheit sorgen“, sagt Hindermann. Die Mittel dafür sind begrenzt: Erst kann eine Ordnungsverfügung an den Besitzer gehen. Die fordert ihn auf, die Schäden in Ordnung zu bringen. „Wenn drei Bretter die Sicherheit wieder herstellen, reicht das. Es muss nicht immer saniert werden. Es muss immer verhältnismäßig sein.“ Schön muss es also nicht werden.

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Wenn dann nichts passiere, kann etwa ein Zwangsgeld auferlegt werden. Bei akuter Gefahr muss aber die Behörde einspringen und sie beseitigen. Der Weg sei aber nicht so beliebt: „Dabei tritt die Kommune in Vorleistung und kriegt unter Umständen das Geld nicht zurück“, sagt Hindermann.

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Dass gar nichts passiere, komme nur vereinzelt vor, weiß Hindermann. Wichtig aber, damit etwas passieren könne, sei es, die Untere Bauaufsicht zu informieren. „Die lokalen Behörden können nicht jedes Gebäude kennen. Denen muss man Bescheid sagen.“

Ein Problem mit Schrottimmobilien speziell im Bergischen Land oder am Niederrhein sei ihm nicht bekannt, sagt Hindermann. Beispiele von problematischen Immobilien gibt es dennoch reichlich:

In der Bergischen Metropole kümmert sich seit 2013 eine Arbeitsgruppe der Stadt um Schrottimmobilien. Sie hat 50 ausgemacht, dazu 60 weitere, deren Zustand problematisch ist. Derzeit ist sie dabei, für die zehn schlimmsten Fälle ihrer Liste Lösungen zu finden. Dazu gehörte das denkmalgeschützte Mehrfamilienhaus an der Bandstraße. Lange stand es leer, ein Brand 2008 gab ihm den Rest, es zerfiel. Der Eigentümer kümmerte sich nicht, die Stadt ließ es zwangsversteigern. Der neue Eigentümer tat auch nichts. Im März ließ die Stadt das Gebäude abreißen, jetzt wurde das Grundstück versteigert. Der Erlös von 34 000 Euro deckt nur einen Teil der Kosten für Abriss und Sicherungsmaßnahmen. Auf rund 70 000 Euro bleibt die Stadt sitzen.

Vor Jahren brannte es in einem Einfamilienhaus in Krefelds Innenstadt. Vom Dachstuhl und der oberen Etage steht kaum noch etwas. Das Innere des Hauses erinnert an ein Trümmerfeld aus verkohlten Balken und Möbeln. Vor rund vier Wochen krachten dann die restlichen Teile des Daches auf die Straße. Von oben regnet es ins Haus, unten verschafften sich Jugendliche wie auch Drogenabhängige Zugang. Im Juni vergangenen Jahres vernagelten Nachbarn die Einstiegsmöglichkeiten von der Mittelstraße aus. Der Eigentümer hatte die Bretter gestellt, sich ansonsten aber nicht um das Haus gekümmert. Baken vor dem Haus dienen der Sicherheit von Passanten. Die Stadt sagt: „Das Gebäude Mittelstraße 48 ist hier seit Jahren bekannt. Ordnungsbehördliche Verfahren wurden eingeleitet. Das Gebäude darf nicht mehr betreten werden. Wegen der für die Absperrung laufend steigenden Forderungen der Stadt Krefeld wurden Sicherungshypotheken eingetragen und für dingliche Lasten läuft ein Versteigerungsantrag.“

Der Streit um das prominente Eckhaus im Stadtteil Flingern zieht sich schon über Jahre — und er hat skurrile Züge angenommen: Von untersagten Arbeiten über Klagewellen gegen die Bauverwaltung bis zu gescheiterten Friedensgesprächen und versuchter Enteignung hat es schon alles gegeben. Der Erfolg ist bislang gleich null, die Mieter mussten schon vor Jahren ausziehen.

Eigentlich handelt es sich bei dem Gründerzeitbau um eine attraktive Wohnimmobilie, doch als der Eigentümer 2007 Sanierungsarbeiten vornehmen lassen wollte, stellte die Stadt sich quer: Es fehlten die nötigen Genehmigungen, hieß es. Zudem habe es gefährliche Eingriffe in die Statik gegeben. Auf Drängen der Politik wurde ein Enteignungsverfahren in Betracht gezogen, offene Rechnungen des Eigentümers sollten der Hebel sein — die er aber im letzten Moment beglich. Nach Jahren erbitterten Kleinkriegs kam vor zwei Jahren ein Signal zu einer einvernehmlichen Lösung. Konkrete Ergebnisse bislang: Fehlanzeige.

Die Hängepartie um das Trümmer-Grundstück der ehemaligen Lackfabrik an der Gebhardtstraße/Ecke Dültgenstaler Straße in Solingen-Wald dauerte Jahre. Es gab schließlich einen Interessenten, der öffentlich geförderte Wohnungen für Senioren sowie für Familien mit Kindern gebaut hat. Die Altlasten waren somit Sache des Investors. Damit war die Zwangsversteigerung überflüssig, die von der Stadt Solingen beantragt worden war, um die Entsorgung des Schuttberges zu finanzieren.

Vier Jahre nach dem Brand an der Ronsdorfer Straße haben schließlich Bagger im August des vergangenen Jahres die Ruine abgetragen. Lange waren auch den Mitarbeitern des Umwelt- und des Bauordnungsamtes die Hände gebunden.

Anders als es ein Anwohner gern gesehen hätte, sahen sich die Behörden nämlich nicht dazu veranlasst, selbst den Schutt wegräumen zu lassen. Aus gutem Grund: Das hätte der Steuerzahler dann nämlich bezahlen müssen. Nach einer Zwangsversteigerung hatte der Besitzer gewechselt, der auf Druck der Behörden letztlich den Schutt wegräumen ließ.