Abiturient beruft sich auf Informationsfreiheitsgesetz Schüler stellt Antrag auf Abi-Aufgaben vor der Klausur
Wenn der Staat auf meine Fragen antworten muss, sagt er mir dann, was im Abi drankommt? Einfach mal anfragen, dachte sich ein Schüler aus Münster. Nebenbei schafft er so Aufmerksamkeit für ein noch recht unbekanntes Gesetz.
Münster/Düsseldorf (dpa) - Wie einfach könnte doch das Abiturientenleben sein, wüsste man nur, welche Fragen die Prüfer stellen! Diesen Gedanken wird der Münsteraner Schüler Simon Schräder (17) nicht mehr los, während er sich auf die zentral gestellte Abiturprüfung vorbereitet. Und weil Fragen nichts kostet, fragte er den Staat. Genauer: Er richtete eine offizielle Anfrage an das nordrhein-westfälische Schulministerium über die Internetplattform „FragDenStaat“ - und erntet mit der Aktion großes Medienecho.
Diese Seite, betrieben von der Transparenzinitiative Open Knowledge Foundation, will Bürgern dabei helfen, gegenüber Behörden ihr Recht auf Information und behördliche Dokumente durchzusetzen. Diesen Anspruch regelt seit 2006 das Gesetz zur Informationsfreiheit (IFG). Jeder Bürger darf danach unter Beachtung des Daten- und Geheimnisschutzes Zugang zu amtlichen Informationen bekommen. Auch die meisten Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, haben ähnliche Gesetze.
Im vergangenen Jahr wurden über „FragDenStaat“ mehr als 2000 solcher Anträge gestellt: „Von der Anfrage zu Geheimdienstdokumenten bis hin zum Antrag auf Einsicht in das lokale Grundstückskataster“, erläutert Arne Semsrott, Projektleiter bei der Plattform. FragDenStaat hilft nur bei den Formalien - jeder Bürger kann auch auf eigene Faust Anträge stellen. Knapp drei von vier aller Anfragen auf Bundesebene werde stattgegeben, berichtet Semsrott.
Das weiß auch der findige Abiturient Simon Schräder: Er arbeitet in einer lokalen Gruppe der Open Knowledge Foundation, die daran mitwirkt, den Stadtbewohnern relevante amtliche Daten zur Verfügung zu stellen - zum Beispiel zum Haushalt der Kommune oder zur Frage, wo es Parkplätze gibt in der Stadt.
„Beim Lernen hatte ich spontan die Idee, zu versuchen, über das IFG an die Abituraufgaben zu kommen“, erklärt er. Dass er damit Erfolg haben könnte, glaubt er kaum. „Aber es wäre ja interessant zu wissen, wie das Ministerium reagiert und wie sie ihre Antwort rechtlich begründen.“ FragDenStaat jedenfalls reichte seinen Antrag am 20. März weiter an das Ministerium.
Dass Schräder und mit ihm Abiturienten im ganzen Land tatsächlich ihre Aufgaben schon vor der Prüfung zu Gesicht bekommen, hält auch IFG-Experte Semsrott für unwahrscheinlich: Anfragen könnten abgelehnt werden, wenn sie den Erfolg einer bevorstehenden behördlichen Maßnahme erheblich beeinträchtigen würden. Eine Prüfung, deren Aufgaben man vorher gemeinsam oder mit Expertenhilfe lösen könnte, wäre sicherlich eine solche Beeinträchtigung.
Ähnlich daher auch die Töne aus dem Schulministerium: Die Abituraufgaben vorab herauszugeben, könne den Ablauf der Prüfungen gefährden. Es müssten gleiche Chancen für alle gewährleistet sein. Der Antrag sei aber noch in Bearbeitung.
Für Schräder hat die Aktion in jedem Fall ein Gutes: Zwar habe er nicht mit der großen Resonanz gerechnet, aber ein gewisser Marketingeffekt für mehr Informationsfreiheit passt ihm gut: „Es wird jetzt vielen Bürgern nahegebracht, dass es dieses Gesetz gibt“, sagt er. „Jeder interessierte Bürger kann darüber mehr Einblicke kriegen in den Staat, den er ja schließlich mitfinanziert.“
Auch wenn er die von ihm zur Zeit besonders erhofften Einblicke erst an den Prüfungstagen ab 14. April erhalten wird, ist Schräder optimistisch: „Meine Noten bislang geben auch keinen Grund zur Sorge - auch ohne Antrag“, sagt er. „Aber ich lerne jetzt weiter“.