Selbstjustiz vor dem Lüneburger Klinikum
Eine Familienfehde ist in Niedersachsen eskaliert. Brutalität überrascht die Polizei.
Lüneburg. Wie zwei Türsteher haben sich Polizisten am Sonntag vor dem Eingang zum Klinikum in Lüneburg aufgebaut. Aufmerksam blicken sie Besuchern entgegen. Einige wenige kontrollieren sie. Die Polizei will kein Risiko eingehen. Denn am Samstag fielen vor dem Klinikum Schüsse. Drei Männer wurden schwer verletzt. Eine Fehde zwischen zwei Clans eskalierte. Die Polizei spricht von einem gezielten Anschlag.
Spurenermittler finden mindestens fünf Patronenhülsen vor dem Klinikum. Einer von mutmaßlich zwei Tätern ist vorläufig festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft prüft einen Haftbefehl gegen den 31-Jährigen. Nach einem 33 Jahre alten Mann wird gefahndet.
Von der Brutalität des jahrelangen Streits zwischen den verfeindeten Familien wird die Polizei überrascht. „Das war nicht vorhersehbar“, sagt Einsatzleiter Steffen Grimme am Sonntag vor Journalisten. Denn die Clans, deren Angehörige auch in anderen niedersächsischen Städten und in Hamburg wohnen, sind der Polizei mindestens seit 2010 bekannt. Eine inzwischen aufgelöste Sonderkommission beobachtete sie. Immer wieder gab und gibt es Gespräche mit den Familien. Worum genau es damals ging, blieb unklar.
Am Freitag kommt es zu Auseinandersetzungen. In einem Fitnessstudio in Lüneburg gehen Mitglieder beider Familien mit Messern und zerschlagenen Bierflaschen aufeinander los. Sogar eine Hantelbank wird aus ihrer Verankerung gerissen und fliegt durch den Raum. Von den dabei zwei verletzten Männern ist am Sonntag noch einer im Krankenhaus.
Sieben seiner Angehörigen besuchen ihn am Samstag. Als sie aus dem Krankenhaus kommen, habe ein Auto auf der anderen Straßenseite gestanden, erzählt ein Angehöriger am Sonntag. „Die Insassen sind ausgestiegen und kamen auf uns zu“, sagt er. Drei Männer werden von Schüssen in Oberschenkel und Hüfte schwer verletzt. Zum Hintergrund des Streits sagen die Angehörigen am Sonntag nichts.
Den Grund kennt auch Einsatzleiter Grimme nicht. „Die Familien reden nicht.“ Aber der Konflikt wird sich aus seiner Sicht fortsetzen. „Wir wissen aktuell nicht, was man machen kann. Die Polizei versucht, langfristig zum Ende zu kommen“, sagt Grimme. Hinweise auf Drogenhandel gebe es nicht. Vorerst schützen die Beamten die von anderen Patienten im Krankenhaus abgeschirmten verletzten Männer. Auch die Wohnhäuser beider Familienmitglieder werden gesichert. Aus ganz Niedersachsen sind dafür Beamte nach Lüneburg gekommen.
Den Oberbürgermeister der Stadt, Ulrich Mädge (SPD), treibt dieser erbitterte Konflikt um. Ein solches Verhalten dürfe nicht toleriert werden. „Streitigkeiten werden rechtsstaatlich gelöst und nicht durch Selbstjustiz.“