Sexualmord in Emden: Trauer schlägt in Hass und Mordlust um

Nach dem Tod einer Elfjährigen kippt in Ostfriesland die Stimmung. Aufgebrachte Menschen rufen öffentlich zu Lynchjustiz auf.

Emden. Ein Meer von Blumen und Kerzen erinnert vor dem Emder Parkhaus an die am Samstag ermordete elfjährige Lena. „Ihr Tod war sinnlos — warum musste sie sterben?“ mahnt ein Pappschild neben Plüschtieren vor dem Tatort.

Nach dem Haftbefehl gegen einen 17 Jahre alten Verdächtigen hoffen viele Menschen, dass wieder Ruhe einkehrt. Doch auch am Donnerstag bleiben Fragen offen. Der junge Mann bestreitet die Tat. Viele Menschen sind dennoch sicher, dass der Täter gefasst ist.

Mehr als 9000 Einträge zählt inzwischen das „Kondolenzbuch für den kleinen Emder Engel“ bei Facebook. „Das ist überwiegend keine Mitleidswelle, sondern ehrlich gemeinte Anteilnahme“, glaubt Stadtsprecher Jens Gerdes.

Am Beispiel Sozialer Netzwerke werden nach Ansicht von Kritikern aber auch Gefahren deutlich. Die Veröffentlichung eines falschen Namens nach der Festnahme des Verdächtigen öffne die Tür für Vorverurteilungen, warnt Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck.

Auch im Internet müsse der Grundsatz gelten, dass Verdächtige bis zur Verurteilung als unschuldig zu betrachten seien. Beobachter hatten im Netz nicht nur Namen, sondern auch Adressen und Angaben zur Person des Verdächtigen entdeckt.

Offene Hassparolen tauchten erst im Internet auf und wurden schließlich von Passanten aufgegriffen. Als der Verdächtige beim Haftrichter vorgeführt wurde, hörten Augenzeugen Rufe wie „Hängt ihn auf, steinigt ihn“. Ähnliche Szenen spielten sich in der Nacht zum Mittwoch ab, als bis zu 50 Menschen das Emder Polizeihaus belagerten.

Ein 18-Jähriger hatte zuvor im Internet die Stürmung des Gebäudes gefordert, um den Festgenommenen herauszuholen. „Das war ein Aufruf zur Lynchjustiz“, sagt Kriminalrat Martin Lammers. Erst in den Morgenstunden löste sich die Menge auf. Die Polizei hat rechtliche Folgen angekündigt. Stadtsprecher Gerdes: „Das bereitet schon Sorgen, wenn Namen ohne Rücksicht gepostet und Existenzen in Verruf gebracht werden, etwa beim Mobbing in der Schule.“