Showdown im Kampf um Suhrkamp Verlag
Berlin (dpa) - Seit sieben Jahren tobt der Kampf um den Suhrkamp Verlag. Verlagschefin Ulla Unseld-Berkéwicz, die Witwe des legendären Firmenpatriarchen Siegfried Unseld, will den 2006 gegen ihren Willen eingestiegenen Miteigentümer Hans Barlach loswerden.
Der Hamburger Medienunternehmer, Enkel von Bildhauer Ernst Barlach, wirft der Geschäftsführerin im Gegenzug Versagen vor.
Die Zahl der Klagen und Gegenklagen, Revisions- und Eilverfahren ist inzwischen so groß, dass selbst die Anwälte Schwierigkeiten haben dürften, den Überblick zu behalten. An diesem Dienstag (22. Oktober) kommt es zum Showdown. Vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg können die rund 2500 Gläubiger des insolventen Verlags über die Zukunft des Traditionshauses abstimmen.
„Das ist ein offener Prozess“, sagte der gerichtlich bestellte Sachwalter Rolf Rattunde der Nachrichtenagentur dpa. „Ich weiß nicht, wer da kommt. Und ich weiß nicht, was die, die da kommen, tun werden.“
Unseld-Berkéwicz, die über ihre Familienstiftung mit 61 Prozent an Suhrkamp beteiligt ist, hat einen Insolvenzplan vorgelegt, mit dem das Unternehmen von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. Barlach, der über seine Medienholding 39 Prozent der Anteile besitzt, würde damit weitreichende Mitspracherechte und womöglich auch Geld verlieren.
Der 58-Jährige wirft der Verlegerin vor, die Insolvenz mutwillig herbeigeführt zu haben, um ihn aus dem Verlag zu drängen. Denn erst die Forderung der Unseldschen Familienstiftung nach der Auszahlung von Gewinnen aus früheren Jahren habe die Zahlungsunfähigkeit des Verlags herbeigeführt.
Das Frankfurter Landgericht gab Barlach im September in einer ebenso spektakulären wie umstrittenen Entscheidung recht. Ziel der Insolvenz sei allein, sich vom Minderheitsgesellschafter zu trennen, kritisierte Richterin Claudia Müller-Eising. Sie verbot Unseld-Berkéwicz per einstweiliger Verfügung, dem eigenen Insolvenzplan zuzustimmen. Das Oberlandesgericht setzte dieses Verbot Anfang Oktober jedoch vorläufig aus.
„Der Verlag geht davon aus, dass das Insolvenzverfahren am Dienstag so weitergeht wie geplant“, sagt Pressesprecherin Tanja Postpischil deshalb zuversichtlich. Das heißt im Klartext, dass dem Insolvenzplan zugestimmt wird.
Die Hoffnung ist wohl berechtigt. Denn Barlach kann sich mit seinem 39-Prozent-Anteil in der Gruppe der Gesellschafter nicht mit einem Nein durchsetzen. Und die Schriftsteller, die einen gewichtigen Teil beim Rest der Gläubiger ausmachen, stehen klar auf der Seite von Unseld-Berkéwicz.
Die ehemalige Schauspielerin war nach dem Tod ihres Mannes und der Machtübernahme im Haus 2003 zunächst höchst umstritten. Namhafte Autoren wie Martin Walser, Marcel Reich-Ranicki und Adolf Muschg kehrten Suhrkamp in den Folgejahren den Rücken. Doch längst wird der „schönen Witwe“ sehr viel mehr zugetraut, die legendäre Suhrkamp-Kultur zu erhalten als dem Quereinsteiger Barlach. Die Schriftsteller fürchten, der Medienunternehmer sei nur an Rendite interessiert.
In einem öffentlichen Appell riefen kürzlich fast 200 renommierte Suhrkamp-Autoren dazu auf, den Insolvenzplan anzunehmen. Zugleich drohten sie Barlach mit einem Ausstieg aus dem Verlag, sollte er weiter „maßgeblichen Einfluss“ auf das Haus behalten. Zu den Unterzeichnern gehörten Sibylle Lewitscharoff, Hans Magnus Enzensberger, Durs Grünbein, Peter Sloterdijk und Uwe Tellkamp.
Dennoch: Ein Ende hat das Drama mit der Annahme des Insolvenzplans aller Voraussicht nach noch nicht. Barlach kann gegen die Entscheidung Einspruch einlegen. Nach allen bisherigen Erfahrungen wird er auf dieses Recht kaum verzichten.