Rücknahmeabkommen Sichere Herkunftsländer — hilft die Idee?
Maghreb-Staaten: CDU und FDP im NRW-Landtag drängen, den Weg auf Bundesebene freizumachen. Rot-Grün: Scheindebatte.
Düsseldorf. „Getretener Quark wird breit, nicht stark“ — mit diesem Goethe-Zitat beendet der Mönchengladbacher SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Willi Körfges seine Tiraden gegen CDU und FDP. Was er da am Donnerstag sinngemäß als unnützes Gerede bezeichnet, war die wiederholte Forderung der Opposition im Landtag, die rot-grüne Regierung möge der Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer im Bundesrat „endlich zustimmen“.
Weitgehend einig sind sich Schwarz-Gelb und Rot-Grün bei der Beurteilung der Ausgangslage. Auch SPD und Grüne sehen, dass es in der Bevölkerung wenig Verständnis dafür gebe, dass ausreisepflichtige Nordafrikaner das Land nicht zügig verlassen. Das gelte umso mehr, da die Kriminalitätsrate in dieser Gruppe deutlich über dem Durchschnitt bei Flüchtlingen insgesamt liege. Ziel sei, die Ausreisepflicht konsequent durchzusetzen.
Ende vergangenen Jahres befanden sich laut Ausländerzentralregister 3305 ausreisepflichtige nordafrikanische Staatsangehörige in NRW. 1960 Marokkaner, 1149 Algerier und 196 Tunesier.
Nach Artikel 16 des Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte Asylrecht. In Absatz 3 der Vorschrift heißt es aber auch: „Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“
Derzeit gelten als sichere Herkunftsstaaten: die EU-Staaten, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Ghana.
Auch Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten können Beweise vorbringen, die belegen, dass ihnen im Herkunftsland in ihrem Einzelfall Verfolgung droht. Ist dieser Nachweis erfolgreich, haben auch sie einen Anspruch auf Asyl. Antragstellende aus sicheren Herkunftsstaaten müssen bis zur behördlichen Entscheidung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung wohnen. Wird ihr Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“ abgelehnt, gilt dies bis zu ihrer Ausreise. Während dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten und das in ihrer Aufenthaltsgestattung genannte Gebiet vorübergehend nur verlassen, wenn sie eine Erlaubnis erhalten.
Der Bundestag habe das Gesetz zur Einstufung der Maghreb-Staaten beschlossen und die Verabschiedung im Bundesrat scheitere auch wegen der ablehnenden Haltung von Rot-Grün in NRW, sagt der CDU-Abgeordnete André Kuper. Dabei könne schon in der Einstufung der Maghreb-Staaten ein Signal bestehen. Nämlich „all diejenigen davon abzuhalten, allein aus wirtschaftlicher Not und nicht aus asylrechtlichen Gründen auf den gefährlichen, teuren und illegalen Weg über Schlepper nach Europa und nach Deutschland zu gehen“. Marc Lürbke von der FDP bekräftigt, es gehe nicht nur um Signale nach außen, dass es sich nicht lohne, „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen über das Asylsystem zu uns zu kommen“. Es gehe auch um ein Signal an die Bürger, „dass wir uns um Fehlentwicklungen bei der Zuwanderung auch kümmern“. Gewandt an Rot-Grün sagt er: „Es ist kein Symbol für konsequenten Flüchtlingsschutz, sich für Regeln einzusetzen, die im Wesentlichen Straftätern nützen.“
Hans-Willi Körfges (SPD) sagt, dass Scheindebatten und Alibilösungen nicht weiterhelfen. Die Debatte werde von der Opposition doch nur geführt, um davon abzulenken, dass der zuständige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) „es nicht auf die Reihe bekommt, ein vernünftiges Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern zu vereinbaren“.
Hintergrund: Die bisherigen Rücknahmevereinbarungen der Bundesregierung mit den Maghreb-Staaten sind für effektive Rückführungen untauglich. Für die derzeit gut 3300 Ausreisepflichtigen aus den nordafrikanischen Staaten dürfen nach Algerien und Marokko nur Linienflüge genutzt werden. Marokko akzeptiert nur fünf Personen auf einem Linienflug, wobei die Fluggesellschaften maximal zwei Personen akzeptieren, bei zwei Flügen die Woche. Nach Tunesien sind maximal Kleincharter bis 25 Personen erlaubt. Dies würde bei voller Nutzung aller Kapazitäten zu einem Rückführungszeitraum von über zehn Jahren führen. Deshalb, so die Forderung der Landesregierung, sei eine Begrenzung auf Linienflüge inakzeptabel.
Innenminister Ralf Jäger (SPD) bekräftigt, dass es einen „dicken Bremsklotz im System“ gebe. Das sei die unzureichende Mitwirkung der betreffenden Staaten. Jede Beschleunigung von Asylverfahren, die im Inland erzielt werde, gehe ins Leere, „wenn wir die Menschen nicht zügig abgeschoben bekommen“. Die bisherigen Rücknahmeabkommen der Bundesregierung seien völlig untauglich. Der Antrag der Opposition erfolge daher nur aus taktischen Gründen.