Silvester-Ausschuss tritt auf der Stelle

Nachweis, dass eine Polizeimeldung entschärft werden sollte, gelingt in Sondersitzung nicht.

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Düsseldorf. „Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamtbild verschaffen über die Geschehnisse in der Silvesternacht im und vor dem Kölner Hauptbahnhof.“ So lautet der erste Satz des Untersuchungsauftrages, den der Landtag dem Gremium gegeben haben, der seit Monaten Licht in das dunkle Kapitel bringen soll. Wäre gestern ein unbefangener Zuschauer in den Saal getreten, in dem sich die Politiker zu einer Sondersitzung des Gremiums trafen, so wäre er kaum zu dem Schluss gelangt, dass es um eben jenes Thema ging. Stunde um Stunde wurde über behördeninternen Mailverkehr, über gelöschte oder nicht gespeicherte Telefonverbindungsdaten gesprochen — und am Ende rauchte allen nur noch der gerade doch noch urlaubsbedingt erholte Schädel. Die Opposition war ihrem Ziel, der Landesregierung in Gestalt des Innenministers Ralf Jäger (SPD) Fehler nachzuweisen, nicht näher gekommen. Und für die Opfer der Silvesterübergriffe war das Ganze auch nicht ergiebig.

Im Kern ging es darum, dass es am Neujahrstag behördenintern eine Einflussnahme auf die Kölner Polizei gegeben haben soll, womit offenbar die Relevanz der Vorgänge heruntergespielt werden sollte. In einer sogenannten WE-Meldung über „wichtige Ereignisse“ — bestimmt für andere behördliche Entscheidungsträger — hatte die Kölner Polizei über eine Vergewaltigung einer jungen Frau berichtet. Nach dem Versenden dieser WE-Meldung soll sich ein Anrufer in der Kölner Kriminalwache gemeldet und gesagt haben: „Das sind doch keine Vergewaltigungen. Das streicht ihr. Storniert die WE-Meldung.“ Das seien Wünsche aus dem Ministerium.

Wer der Anrufer gewesen sein soll und ob es den Anruf in dieser Form wirklich gab, ist jedoch nicht nachgewiesen. Nun wollen die Landtagspolitiker der Opposition im Ausschuss der Sache über Verbindungsnachweise von Telefonverbindungen auf die Spur kommen. Und liefen dabei gestern wieder und wieder gegen eine Wand, als sie versuchten, den Hintergründen des sogenannten „Stornoanrufs“ auf die Spur zu kommen.

Dieter Schürmann, Landeskriminaldirektor im Innenministerium und damit quasi der ranghöchste Kriminalbeamte des Landes, versicherte, er habe keine Erkenntnisse über die Speicherung von Daten beim Polizeipräsidium Köln. Er habe aber — nur am Rande, weil nicht zuständig — mitbekommen, dass Mitte Januar ein Auftrag ans Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) gegangen sei, Verbindungsdaten beim Kölner Polizeipräsidium zu sichern. Der Innenminister habe der Datensicherung große Bedeutung beigemessen.

So richtig in Rage brachte aber ein anderer Zeuge die Politiker von CDU und FDP, als er diesen smart und unerschütterlich klarmachte, dass sie bei ihren Bemühungen um Aufklärung wohl nicht weiterkommen würden. Manuel Kamp, Leiter der Direktion Zentrale Aufgaben bei der Kölner Polizei, erklärte den verblüfften Abgeordneten, dass behördeninterne Anrufe in dem polizeilichen Sondernetzwerk gar nicht gespeichert würden. Und selbst wenn der Anruf nicht über dieses spezielle Telefonnetzwerk, sondern über eine normale Leitung gelaufen wäre, sei die Speicherfrist abgelaufen.

Warum er denn selbst nicht auf die Idee gekommen sei, rechtzeitig für eine Speicherung zu sorgen, wird er daraufhin vorwurfsvoll gefragt. Daraufhin wiederholt er mehrfach dieselbe Antwort. Er sei, als das Thema im Frühjahr aufgekommen sei, davon ausgegangen, dass die Verbindungsdaten von Anfang Januar ohnehin schon nicht mehr gespeichert gewesen seien.

Die CDU, die die Sondersitzung beantragt hatte, warf dem Ministerium „Verhinderung der Aufklärung“ und die Löschung von zentralen Verbindungsdaten vor. Offen sei, ob das „wissentlich und willentlich“ erfolgt sei. Eine späte Datensicherung Anfang Juni reiche nur bis zum 3. Januar zurück. Ausgerechnet der fragliche 1. Januar fehle, kritisierte CDU-Obfrau Ina Scharrenbach. Matthi Bolte, Ausschussmitglied der Grünen, kommentierte: „Ohne Frage ist es für die Aufklärung des fraglichen Anrufs bedauerlich, dass die Verbindungsdaten nicht an den Untersuchungsausschuss übermittelt werden können. Das heutige Sommertheater von CDU und FDP hilft den Betroffenen der Silvesternacht auf jeden Fall nicht.“