Skandinavischer Schick: Unaufgeregte Mode-Stilbrüche
Stuttgart (dpa/tmn) - Paris, Mailand, New York - das sind die großen Modemetropolen. Aber längst entscheidet sich nicht mehr nur dort, was modisch im Kommen ist. Der Blick richtet sich auch gen Norden, in Richtung der skandinavischen Länder.
Insbesondere von Kopenhagen und Stockholm gehen wichtige modische Impulse aus. Unbekannte sind die Skandinavier in Sachen Design nicht, aber bislang machte sich ihr Einfluss vor allem beim Thema Inneneinrichtung bemerkbar.
„Grundsätzlich kann man sagen, dass es ein cleaner, reduzierter Look ist“, sagt Silke Emig von der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“. Das treffe insbesondere auf die schwedischen Modedesigner zu, bei den dänischen beobachtet die Expertin zusätzlich eine Ethno-Nuance. Auch der Designer Robert Herzog von der Staatlichen Modeschule Stuttgart spricht von einem minimalistischen, ehrlichen Stil. Er hat vor allem eine Besonderheit ausgemacht: Die Skandinavier beziehen sich in ihren Designs gerne auf Kleidervorbilder, auf die Klassiker der Mode.
Als Beispiele zählt Herzog den Trenchcoat, die Bomber- und die Perfecto-Jacke auf. Aber die nordischen Designer setzen die Proportionen ein wenig anders, als es der Klassiker vorgibt. Die Bomberjacke werde schmal, gibt Herzog ein Beispiel. Es sei eine Art Spannungsspiel zwischen stilistischem Ausgangspunkt und stilistischer Neuinterpretation, ein „Spiel mit Archetypen“. Die Skandinavier schaffen es, mit solchen Widersprüchen überzeugend umzugehen. Die Stylistin Dagmar Dobrofsky aus Berlin sagt: „Den skandinavischen Stil macht das aus, was alles Skandinavische ausmacht: Unaufgeregtheit.“
Funktional muss die Kleidung sein. Sie braucht nicht viel Schnickschnack, beschreibt Emig. Die Schnitte sind geradlinig. Dazu passt auch, dass viele Designer zwar qualitativ hochwertig produzieren, aber die Mode nicht teuer ist. Das Preis-Leistungssystem beurteilt die Modejournalistin als fair. „Was ich schön finde an skandinavischen Sachen, ist, dass sie auf Langlebigkeit ausgelegt sind“, ergänzt Herzog. Die Entwürfe sind nicht nur in einer Saison modisch, sondern sie sind auf mehrere Saisons ausgelegt. Denn die Mode zeichne sich durch eine gewisse Stiltreue aus.
Das wird auch durch die bevorzugten Farben erreicht. Schwarz, Grau, staubige Rosétöne dominieren, dazu kommen Melange-Effekte. Dobrofsky zählt außerdem dunkle Rottöne wie Burgunder und Aubergine sowie Brauntöne auf. Farbe wird nicht für das komplette Outfit verwendet, eher als Akzent, fasst Herzog zusammen. Dobrofsky hat in den aktuellen Kollektionen große Mäntel aus dicken Wollstoffen mit Gürteln entdeckt. „Außerdem weite Hosen und wadenlange Röcke, sowohl schmal als auch weit, dann Fellwesten, oft verarbeitet mit Leder.“ Die langen, schweren Lederröcke werden mit feinen Blusen kombiniert, „ein dicker Strickpullover mit einem dünnen Plisseerock“.
Bei den Männern hat Herzog beobachtet, dass die Mode teils etwas weiblich wirkt. Das macht der Modeexperte etwa an den etwas zu kurzen Hosen fest, bei denen die Fesseln frei liegen. Das sei sonst etwas sehr Feminines. Gleiches gilt für die Skinny-Hose. Aber diese Modelle haben dafür maskuline Farben, etwa Schwarz und Dunkelblau.
„Umsetzen lässt sich der Stil am einfachsten, wenn man auf Perfektion verzichtet“, rät Dobrofsky. Perfekt aufeinander abgestimmte Accessoires müssen also nicht sein. Und zum Abendoutfit gehen auch mal flache Schuhe. Tagsüber dann Boots oder Pumps - und letztere etwa mit Socken, aber keine Ringelsöckchen, sondern Herrensocken.