Skurrile Stadtrundfahrten: Von Speedbooten bis Leichenfunden

Hamburg (dpa/lno) - Doppeldecker stehen bei Touristen noch immer hoch im Kurs. Um die jungen Urlauber buhlen die Städte inzwischen mit Krimi-Touren oder Seifenkisten-Fahrten - und dem Versprechen nach Authentizität und Nervenkicks.

Sie sind klein, flink, wendig und ziehen in der Hafencity oft staunende Blicke auf sich: Wie in geschrumpften Rennautos kurven Touristen in motorisierten Seifenkisten durch die Straßen Hamburgs. Hot Rod City Tour nennt sich das neue Angebot, das seit wenigen Wochen in Hamburg zu einer ungewöhnlichen Stadtrundfahrt einlädt. „Die Leute lernen die Stadt mit einem anderen Fahrgefühl kennen, weil sie selber am Steuer sitzen“, sagte Franz Wesser, einer der Betreiber.

Besonders beliebt seien die Kart-Wagen bei Firmenevents - oder als Geschenk für Ehemänner, erklärt er. Die Überraschung hat allerdings ihren Preis: 78 Euro kostet die zweistündige Route mit den Miniautos pro Fahrer. Auch wenn die kleinen Rennwagen mit bis zu Tempo 88 durch die Häuserschluchten preschen könnten: „Alle müssen sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Helm, Führerschein und maximal 50 Stundenkilometer sind vorgeschrieben“, sagt Wesser. Schnell flitzen auch die Speedboote eines anderen Anbieters bei einer Tour mit 250 PS über die Elbe - vom Hamburger Hafen bis zum Blankeneser Treppenviertel.

Hamburg von unten - das will eine Stadtführung von Obdachlosen zeigen. „Wir wollen die Augen öffnen und sensibilisieren für die Dinge, die ein Schattendasein in einer Stadt führen“, sagte Isabel Schwartau, Pressesprecherin des Hamburger Stadtmagazins Hinz&Kunzt. Das Magazin organisiert den Rundgang und bringt insgesamt rund 3000 Touristen jedes Jahr an die eher unbeachteten Nebenplätze der Stadt: Von der Bahnhofsmission, Tagesaufenthaltsorte, Drogenberatungsstellen oder Stätten, wo arme Menschen essen, Wäsche waschen oder sich duschen können. „Es ist kein Entertainment, wir zeigen die Realität von Obdachlosen“, sagte Schwartau.

Frische Meeresluft schnuppern die Teilnehmer bei einer Stadtrundfahrt auf einem Kutter in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel. „Wir beobachten, dass Gäste sich das Authentische an einer Stadt wünschen“, sagt Pressesprecher der Tourismusagentur Schleswig-Holstein, Marc Euler. „Menschen wollen eine Stadt durch Events kennenlernen“. Auch kleinere Städte mischen dabei mit: So können aktive Urlauber in Zehner-Kanus in Plön das wassernahe Stadtgebiet mit Stadtführern erkunden.

Wer eher schnell seekrank wird, dem empfiehlt sich eine besondere Führung auf trockenem Boden in Kiel: Bei der Tatort-Radtour erkunden die Touristen die wichtigsten Krimi-Schauplätze - vom Leichenfund auf dem Fördedampfer, Verhören am Tiessenkai bis zur Verfolgungsjagd auf der Holtenauer Hochbrücke. Auch Wismar holt den Krimi vom Fernseher auf die Straße. Stadtführerin Ulrike Lebek schlüpft dabei in das Kostüm der fiktiven finnischen Austauschpolizistin Leena Virtanen aus „Soko Wismar“ - und bringt die Teilnehmer in der Stadt an der Ostseeküste dorthin, wo einmal in der ZDF-Serie im Kanal eine Leiche trieb oder wo sich das Polizeirevier befindet.

Für diejenigen, die Kiel im Schnelldurchlauf erleben möchten, steigen Urlauber wie in Hamburg oder Lübeck auf ein Segway und brausen mit bis zu Tempo 20 durch die Stadt. Jedes Jahr verbucht Kiel nach eigenen Angaben rund 17,6 Millionen Tagesgäste und 1,93 Millionen Übernachtungen pro Jahr. Für stramme Waden sorgt das Bier-Bike in Flensburg - bis zu 14 Personen treten bei dieser besonderen Art von Rad-Tour in die Pedale und fahren über die Hafenpromenade.

Ein Nachtwächter-Rundgang folgt in Husum den Spuren von Geizkrägen, Scharlatanen und anderen kuriosen Geschehnissen. Da dürfen Sturmlaterne, Hellebarde und alte Kostüme bei den Husumer Nachtwächtern - Mitglieder der Europäischen Nachtwächter- und Türmerzunft - nicht fehlen. Auch mit einem Wattspaziergang oder einer Führung über Wegpunkte des Schriftstellers Theodor Storm kann die „graue Stadt am Meer“ punkten. Jährlich besuchen rund 3,1 Millionen Tagesgäste die Stadt an der Nordsee - nach Angaben des Stadtmarketings haben sich die Gästezahlen zwischen 2005 und 2012 um 25 Prozent erhöht.

Die klassische Schnitzeljagd war gestern - heute gehen Urlauber in Plön mit einem GPS-Gerät und Zielkoordinaten beim sogenannten Geocaching von Hinweis zu Hinweis auf Entdeckungstour und lernen dabei spielerisch die Stadt kennen.

Ungewöhnliche Touren hin oder her: Alles in allem haben die klassischen Rundfahrten nach Auskunft mehrerer Tourismus-Büros in Hamburg und Schleswig-Holstein längst nicht ausgedient. So gibt es etwa in Kiel ab Juni erstmals tägliche Stadtrundfahrten in acht Sprachen, die besonders für Kreuzfahrtgäste angeboten werden, wie eine Sprecherin der Stadt Kiel mitteilte. Auch die Hamburger Hochbahn erweitert speziell für Urlauber ihr Streckennetz: Mit der neuen Bus-Linie 111 fahren von Montag an auch Linienbusse die Hotspots der Hansestadt ab - vom Altonaer Fischmarkt über die Reeperbahn an der Davidwache vorbei bis zur Elbphilharmonie.

Julia Bankus, Sprecherin der Hamburg Tourismus GmbH: „Die Busse der roten Doppeldecker sind immer gut besucht und Familien oder auch ein älteres Pärchen nutzen gerne diese bequeme Variante, um einen Überblick von Hamburg zu erhalten.“ Ein Trend zeichne sich daneben indes deutlich ab: Höher, schneller, außergewöhnlicher. Die Angebote, die diese Eigenschaften trügen, hätten merkbar zugenommen, sagt Bankus.