„Spätzlekrieg“ in Berlin: Alle gegen die Schwaben

Zugezogene aus dem Süden sind für manchen in Berlin zum Feindbild geworden.

Berlin. Ostler gegen Westler, Neureiche gegen Geringverdiener und irgendwie alle gegen die Schwaben — im Ostberliner Szenebezirk Prenzlauer Berg herrscht seit Jahren verbaler Kiez-Krieg. Warum nur? Diesmal meldete sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zu Wort: „Die Schmiererei ist eine unsägliche Aktion, für die es keine Begründung gibt“, entrüstete sich der SPD-Mann.

„Kauft nicht bei Schwab’n“, hatten Unbekannte in Prenzlauer Berg an eine Hauswand geschmiert. Unweit einer Synagoge, offenbar bewusst angelehnt an den Anfang der Judenpogrome der Nationalsozialisten mit der Parole „Kauft nicht bei Juden“. Seitdem ebbt die Empörung über die Wandschmiererei gegen Zugezogene aus dem Süden nicht ab. Die Polizei ermittelt, von den Tätern fehlt bislang jede Spur.

Es war bereits der zweite Vorfall innerhalb weniger Tage. Nur ein paar Meter entfernt hatten Anwohner weitere gesprühte Parolen auf einem Container vor einer Baustelle entdeckt: „Schwabe verpiss dich“ und mehrfach das Kürzel „TSH“, das für „Totaler Schwaben Hass“ stehen soll.

Der Schwabe — er muss herhalten für viel Frust im Szenekiez. Er ist so etwas wie der Inbegriff für den reichen Wessi geworden. Völlig egal, ob der aus Düsseldorf, München, Hamburg oder Köln kommt. Die Schwaben stehen für jene, die aus dem einst für Alternative und Studenten attraktiven Bezirk mit niedrigen Mieten ein Luxusviertel mit Eigentumswohnungen zu horrenden Preisen gemacht haben. Und außerdem sind die Zugezogenen sofort als solche erkennbar, wenn sie nur den Mund aufmachen.

Heute gibt es in Prenzlauer Berg keine Straße mehr, wo man nicht in irgendeinem Restaurant Maultaschen oder Käsespätzle bekommt. Die Schwaben gelten in Berlin als größte Minderheit in der Stadt nach den Türken. Um die Jahreswende hatte schon Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der seit vier Jahrzehnten in Prenzlauer Berg wohnt, seinem Unmut gegen manche neuen Nachbarn Luft gemacht: „Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche.“

Viele seien erst nach 1990 in die Hauptstadt gezogen, täten aber so, als gehöre Berlin nur ihnen allein. Er ärgere sich auch, wenn er beim Bäcker erfahre, dass es keine Schrippen gibt, sondern Wecken: In Berlin sage man Schrippen — „daran könnten sich selbst Schwaben gewöhnen“. Damit setzte der SPD-Mann sogar eine bundesweite Debatte in Gang. Heute will er von den Folgen seiner Sätze überrascht gewesen sein.

Allerdings liegt in Prenzlauer Berg einiges im Argen. Mütter mit Kindern — und davon gibt es viele in dem Trend-Bezirk — wird schon mal der Zutritt zu Kneipen verwehrt. Weil sie angeblich so nerven. Kinderwagen werden geklaut wie anderswo die Fahrräder, und wer noch Latte Macchiato trinkt, muss durchaus mit Spott rechnen.

Gleichwohl wissen sich die Gescholtenen inzwischen zu wehren. Kürzlich war am Rande eines Spielplatzes zu lesen: „Schwaben in Prenzlauer Berg: Was wollt ihr eigentlich hier?“ Einer, der sich angesprochen fühlte, hatte seine Antwort drunter gekritzelt: „Wir bezahlen diesen Spielplatz.“ Kein schlechtes Argument.