Sport: Ein Obdachloser wird Fußballstar

Tiago Manuel Dias Correia lebte in ärmlichen Verhältnissen, bevor ihn jetzt Manchester United unter Vertrag nahm.

Lissabon/Manchester. Ein märchenhafter Aufstieg entzückt und schockiert die Fußballwelt: Manchester United blätterte dieser Tage nicht weniger als neun Millionen Euro für einen jungen Mann hin, der im vergangenen Jahr noch bei der Obdachlosen-WM gekickt hat.

Der 20-jährige Portugiese Tiago Manuel Dias Correia, von Freunden Bebé (Baby) genannt, schlief noch vor kurzem häufig neben Mülltonnen und unter Zeitungen auf der Straße. Unterkunft fand er auch im Waisenhaus "Casa do Gaiato" in Loures, einem Vorort der Hauptstadt Lissabon. "Als er sich von uns verabschiedet hat, haben wir alle wie verrückt geheult", erzählte die 50-jährige Waisenbetreuerin Ana Maria.

"Who’s he?" - Wer ist denn der?, fragen Manchester-Fans immer wieder auf der Straße oder in Diskussionsforen im Internet. Wenn der sportliche Lebenslauf von Bebé gemeint ist, lässt sich die Frage blitzschnell beantworten. Jugendteams: Fehlanzeige. Nach nur einer Saison bei einem portugiesischen Zweitliga-Absteiger bekam er einen Vertrag in der ersten Liga. 50000 Euro war dem Verein das junge Talent wert (siehe Kasten).

In sieben Saison-Vorbereitungsspielen hatte der 1,90-Meter-Mann fünf Tore erzielt. "Wenn man seine Geschichte liest, dann denkt man an ein Märchen", sagte Manchesters Trainer Sir Alex Ferguson. Er sah den Nobody nicht eine einzige Sekunde am Ball. Er vertraute blind dem Tipp seines Freundes Carlos Queiroz, dem portugiesischen Nationaltrainer.

Warum der technisch starke und sehr schnelle Landsmann von Ex-Manchester-Star Cristiano Ronaldo im legendären Old Trafford-Stadion Erfolg haben wird, meint auch sein Ex-Trainer Jorge Paixao vom Zweitliga-Absteiger Estrela da Amadora zu wissen. "Er ist ganz anders, hat Fußball auf der Straße in schlimmen Vierteln gelernt, ist unheimlich kreativ und sehr frech."

Fans, die Correia auf dem Rasen gesehen haben, sprechen von einer "Mischung aus Ruud Gullit und Cristiano Ronaldo". Dennoch ist der Mann mit den Rasta-Locken für die Portugiesen immer noch ein Niemand. "Ich kannte ihn bis zuletzt überhaupt nicht", gestand etwa Antonio Magalhaes, stellvertretender Redaktionsleiter der portugiesischen Sportzeitung "Record".

Bebé kann seine hollywoodreife Story selbst kaum glauben. "Ein Traum ist wahr geworden", stammelte er jüngst bei seinem ersten Radio-Interview. Pater Arsenio, Leiter des Waisenhauses in Loures, sagte: "Der Wechsel zu Manchester hat ihn erschrocken. Er hat hier zwei Tage lang geweint, wollte eigentlich nicht weg. Er ist von einer Ecke des Heimes zur anderen hin und her gegangen. Für die Kinder und Jugendlichen hier im Heim ist Tiago plötzlich zum Vorbild geworden, aber er selbst ist noch geschockt."

Zu viel hat der freundliche Junge in seinem Leben durchgemacht. Im Alter von zehn Jahren wurde er von den Eltern, Einwanderern von den Kapverden, verlassen. Auf der Straße musste er sich regelrecht durchkämpfen. Mit dem Monatsgehalt von 1300 Euro, das er zuletzt beim fast bankrotten Club Estrela da Amadora nur unregelmäßig bekam, half er oft Freunden im Waisenhaus und auf der Straße.

In Old Trafford, "Theater of Dreams" genannt, wird Bebé nach der Unterzeichnung eines Fünfjahresvertrags 65 000 Euro im Monat bekommen. "Er muss nun von heute auf morgen mit Ruhm und Reichtum fertig werden. Das ist nicht leicht. Aber bei uns hat er viel gelernt", hofft Pater Arsenio.