Künstler weist Vorwürfe zurück Sprayer Harald Naegeli hat wieder Ärger mit der Justiz
Düsseldorf (dpa) - Harald Naegeli, der berühmte „Sprayer von Zürich“, hat wieder Ärger mit der Justiz. Weil der Künstler unter anderem die „Nordrhein-westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste“ in Düsseldorf mit zwei Flamingo-Figuren verziert haben soll, muss er nun vor Gericht.
Zu einem Prozesstermin am Amtsgericht sei er allerdings nicht erschienen, bestätigte eine Gerichtssprecherin am Donnerstag Medienberichte. Naegeli selbst wies die Vorwürfe zurück und sprach von Rechtsbeugung.
Der 78-Jährige, der wegen seiner Sprayerei trotz breiter Proteste von Künstlern schon 1984 im Gefängnis saß, soll sich derzeit in der Schweiz in einer Klinik befinden. „Die Polizei behauptet, dass er das war. Er selbst hat dazu bislang geschwiegen“, sagte sein Verteidiger Gerhard Schaller auf dpa-Anfrage.
Naegeli wäre am Dienstag um ein Haar von dem Düsseldorfer Gericht in Abwesenheit zu 600 Euro Strafe wegen Sachbeschädigung verurteilt worden, berichtete Schaller. Nur weil die Ladung zum Prozesstermin dem Künstler nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, gebe es nun einen neuen Anlauf, aber noch keinen neuen Termin.
„Herr Naegeli ist der Auffassung, dass das, was er tut, nicht strafbar ist - wenn er es denn war“, sagte Schaller. Auf die baldige Verjährung der Vorwürfe könne er aber nicht hoffen. Die sei unterbrochen.
Naegeli selbst meldete sich am Donnerstag auf dpa-Anfrage zu Wort: „Die Beschuldigung ist glatte Rechtsbeugung“, erklärte er. Der Gesetzgeber bestimme den Begriff der Sachbeschädigung als Zerstörung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes. „Eine Sprayzeichnung auf einer Mauer oder Wand tut dies nicht.“
Gegen Naegeli waren zuvor zwei Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Nun könnte dem Urvater der Graffiti-Kunst das „Graffiti-Bekämpfungs-Gesetz“ von 2005 zum Verhängnis werden, das die rechtliche Situation zum Nachteil der Sprayer verändert hat.
Doch nicht alle empfinden Naegelis Arbeit in Düsseldorf als Sachbeschädigung. Die Stadt selbst toleriert seine Werke etwa an Brückenpfeilern und Betonfassaden.
Auch ein Tankstellenpächter zeigte sich toleranter als die Akademie der Künste, entfernte einen Naegeli-Flamingo nicht und verzichtete ausdrücklich auf Strafverfolgung. Buchhändler Rudolf Müller, an dessen Fassade ebenfalls ein echter „Naegeli“ prangt, sagte dem WDR: „Man kann es ja auch als Sachaufwertung sehen und nicht als Sachbeschädigung. Wir sind stolz darauf.“
Auch in der Schweiz hat Naegeli wieder Ärger. Nach jahrelanger Abstinenz soll er wieder eifrig mit der Spraydose unterwegs gewesen sein und sollte deswegen im vergangenen Jahr eine sechsstellige Strafe zahlen. Doch ein Kantonsgericht rief die Betroffenen auf, sich mit ihm gütlich zu einigen.
Als „Sprayer von Zürich“ wurde Naegeli spätestens in den 1980er Jahren zum berühmten Graffiti-Künstler. Die Schweizer Justiz verfolgte ihn wegen seiner schwarzen Strichmännchen mit 192 Strafanzeigen und steckte ihn sechs Monate ins Gefängnis. Der Protest von Jahrhundertkünstler Joseph Beuys und Ex-Kanzler Willy Brandt konnte daran nichts ändern.
Naegeli lebt überwiegend in Düsseldorf. 2016 ehrte ihn die Landeshauptstadt mit einer umfassenden Ausstellung im Stadtmuseum mit dem mehrdeutigen Titel „Der Prozess“.
Zu seinen Werken, die man an Betonwänden im Rheinland und in Zürich häufig findet, kann er sich aus rechtlichen Gründen nicht bekennen. Er verkaufe sie nicht, er verschenke sie, erklärte er. „Die Gesellschaft fürchtet sich vor diesen Geschenken und hetzt die Polizei auf mich. Verschenken ist viel schwieriger als nehmen“, sagte Naegeli zu seinem 75. Geburtstag.
In Zürich ist sein Spraywerk „Undine“ inzwischen unter Schutz
gestellt, in Köln sein „Tödlein“ am Schnütgen-Museum. „Naegeli hat die vulgäre Methode des Graffiti zu seinem Mittel gemacht und ist als Künstler längst anerkannt“, hatte ihm der Kölner Kunsthistoriker Siegfried Gohr attestiert. Wie der Brite Banksy sei Naegeli „seiner subversiven Position treugeblieben“.