Gericht entscheidet Stiefvater von toter Kalinka bleibt in Haft

Straßburg (dpa) - Knapp 36 Jahre ist es her, dass Kalinka unter mysteriösen Umständen starb. Die 14-jährige Französin wurde tot im Haus ihres Stiefvaters Dieter K. in Lindau am Bodensee gefunden.

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Doch der Fall beschäftigt die Justiz noch im Jahr 2018 - obwohl der Stiefvater mittlerweile in Frankreich im Gefängnis sitzt. Mit einer neuen Gerichtsentscheidung dürfte die Affäre jetzt beendet sein.

Am Donnerstag wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage des heute 82 Jahre alte Stiefvaters der Toten gegen seine Verurteilung in Frankreich zurück. Damit muss der deutsche Arzt in französischer Haft bleiben, er kann nicht mehr gerichtlich dagegen vorgehen.

Der endgültigen Entscheidung war ein jahrzehntelanges deutsch-französisches Justizdrama vorausgegangen. Nach Kalinkas Tod 1982 gab es zunächst keinen Schuldigen. Bei der Obduktion ihrer Leiche wurden Genitalverletzungen festgestellt. Außerdem wies Kalinkas Körper Injektionsspuren auf. Aber die deutsche Justiz stellte ihre Ermittlungen gegen den Stiefvater aus Mangel an Beweisen bald ein. K. blieb auf freiem Fuß.

Dass er heute im Gefängnis sitzt, liegt an einem spektakulären Fall von Selbstjustiz. Kalinkas leiblicher Vater ließ Dieter K. im Jahr 2009 nach Frankreich verschleppen. Komplizen luden den Deutschen gefesselt, geknebelt und verletzt im elsässischen Mulhouse ab. Dort wurde er festgenommen, denn in Frankreich ermittelten die Behörden weiter gegen ihn.

2011 schließlich wurde K. von einem Pariser Gericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Arzt seine Stieftochter vergewaltigen wollte und ihr Beruhigungsmittel sowie eine tödliche Spritze verabreichte. K. selbst hatte immer seine Unschuld beteuert.

Gegen ihn sprach in den Augen der Richter allerdings auch eine Verurteilung wegen einer anderen Sexualstraftat. Ein Gericht in Kempten hatte 1997 zwei Jahre Haft auf Bewährung gegen den Mediziner verhängt, weil er in seiner Praxis eine 16-Jährige mit Schlafmitteln ruhig gestellt und vergewaltigt hatte - sein Sperma überführte ihn.

Für Kalinkas leiblichen Vater ist es eine späte Genugtuung, dass K. nun über juristische Wege nicht mehr vorzeitig aus der Haft entlassen werden kann. „Heute bin ich zufrieden“, sagte der 80-Jährige der Deutschen Presse-Agentur kurz nach der Entscheidung des Menschenrechtsgerichts. Über viele Jahre sei er psychisch aufgewühlt gewesen. Die Straßburger Richter hätten sich viel zu viel Zeit mit ihrer Entscheidung gelassen.

Die Klage von Dieter K. war bereits 2014 in Straßburg eingegangen. K. sah durch seine Verurteilung in Frankreich sein Recht verletzt, wegen derselben Strafsache nicht zweimal vor Gericht gestellt zu werden. Dieser Argumentation folgten die Straßburger Richter nun aber nicht. Deutschland und Frankreich hätten unabhängig voneinander gegen ihn ermittelt, hieß es. Das sei durch den entsprechenden Artikel in einem Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht verboten.

Kalinkas Vater hat fast sein halbes Leben lang dafür gekämpft, dass Dieter K. bestraft wird - mit allen Mitteln. Für die Entführung wurde er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Der 80-Jährige steht aber noch heute zu der Aktion: „Alle juristischen Verfahren waren blockiert“, sagte er. „Ich konnte sonst überhaupt nichts mehr machen.“