Stierkampf: Kultur oder Gemetzel?
In Spanien ist eine hitzige Debatte um die „corridas“ entbrannt.
Madrid. Spaniens König Juan Carlos höchstpersönlich stellte sich in den vergangenen Wochen an die Spitze der Befürworter des Stierkampfes: Das sei eine "künstlerisch reichhaltige Welt". Und weil er diese "nationale fiesta" so liebt, ist er Stammgast in der größten Arena des Landes, in Madrid.
Die Geste des Königs findet große Aufmerksamkeit in Zeiten, in denen die Kritik an dem öffentlichen Gemetzel der Kampfbullen wächst. Gerade erst zogen wieder tausende Demonstranten durch die City Madrids und riefen: "Schluss mit dem Abschlachten - das ist eine Schande." Protestaktionen vor den Arenen gehören inzwischen zum Alltag.
Seit im nordspanischen Katalonien das Parlament über ein Verbot der Stierkämpfe nachdenkt, wird heißblütig über die Zukunft der "corridas" gestritten. Unzivilisiert und mittelalterlich sei dieser Brauch, schimpft etwa der spanische Philosoph Jesus Mosterin. "Die Stierkämpfe haben Tradition. Aber die Misshandlung von Frauen hat auch Tradition, doch letztere ächten wir."
Ein ungerechter Vergleich, schäumt der Torero Joselito: "Der Stierkampf ist ein Spektakel der Leidenschaft, auf Leben und Tod. Da stecken Gefühle, Tradition und Werte drin. Ich respektiere den Bullen." Er sei sogar Tierschützer. Denn dieses sorgsam gezüchtete Rindviech sei "das bestbehandelte Tier der Welt, das aussterben wird, wenn Arenen geschlossen werden."
In der Tat wachsen die Stiere in einem Schlaraffenland auf: Sie werden nicht in Ställen gehalten, sondern weiden mindestens vier Jahre auf grünen Wiesen - so lange, bis sie in die Arena zu ihrem Todesduell getrieben werden.
Die Stierkampfbranche ist ein Geschäft, das viel Geld bewegt. Sogar versteckte Subventionen von der Europäischen Union und aus dem spanischen Steuersäckel fließen, die unter dem Etikett "Rinderzucht" oder "Tourismusförderung" beantragt werden. Ein edler Kampfstier kostet so viel wie ein Luxuswagen, Star-Toreros wie Jose Tomas verdienen Traumgagen wie Popstars.
Spektakel wie die lebensgefährlichen Stierhetzen in Pamplona ziehen hunderttausende Besucher an. Das füllt die öffentlichen Kassen. Vielleicht hat auch deswegen die Regierung der Region Navarra, wie auch die von Valencia und Madrid, die Stierkämpfe stolz zum "regionalen Kulturgut" erklärt.
Esperanza Aguirre, konservative Regierungschefin von Madrid, besteht sogar darauf, dass in den Schulen die "Werte" dieser uralten Tradition vermittelt werden. Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Jose Luis Zapatero, der als Gegner der Stierquälerei gilt, hält sich derweil aus der Debatte heraus. Die Regierung denke nicht an ein Verbot. Das entspricht offenbar der Stimmungslage im Land. Zwar interessiert sich laut Umfragen nur ein Drittel der Spanier für Stierkämpfe. Aber die Mehrheit tritt dafür ein, die Feierlaune der Stierfiesta nicht mit dem Gesetzeshammer zu trüben.