Stil-Königin: Betty Halbreich zieht die Stars an

New York (dpa) - Ob Sarah Jessica Parker oder Meryl Streep - wenn es um ihren Kleiderschrank geht, wenden sich dutzende Stars an eine Frau: Betty Halbreich. Die fast 90-Jährige ist Stilberaterin im New Yorker Kaufhaus „Bergdorf Goodman“ - und manchmal auch Therapeutin.

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Eigentlich sei sie eine furchtbare Verkäuferin, sagt Betty Halbreich - „die einzige Verkaufsangestellte auf der ganzen Welt, die ihre Kunden vom Kaufen abhält“. Und das auch noch auf nicht besonders charmante Art und Weise. „Zieh es aus, das sieht aus wie das Pyjama-Oberteil von deinem Mann“, bekommt eine Kundin zu hören. „Das sieht schrecklich aus, das sehe ich sofort, weg damit“, eine andere. Und die Shopping-Tour einer dritten Kundin beendet Halbreich mit den Worten: „Du hast jetzt genug für heute.“

Die knapp 90 Jahre alte Halbreich ist bissig, ehrlich und resolut - und trotzdem seit fast 40 Jahren eine der erfolgreichsten Verkäuferinnen im New Yorker Luxuskaufhaus „Bergdorf Goodman“ an der noblen Fifth Avenue. Die zierliche Frau mit den kurzen weißen Haaren und der immer perfekt sitzenden Kleidung war eine der ersten Einkaufsberaterinnen überhaupt und gilt in New York inzwischen als Stil-Legende. „Girls“-Star Lena Dunham arbeitet gerade an einer TV-Serie über Halbreich.

Stars wie Sarah Jessica Parker, Meryl Streep oder Liza Minnelli und viele weitere gut betuchte Damen der New Yorker Society suchen Halbreichs Rat, wenn es um ihren Kleiderschrank geht. Aber die Stil-Expertin berät nicht jeden. „Wenn ich schon die erste Ehefrau als Kundin hatte, nehme ich nicht die zweite und auch nicht die Geliebte“, sagte sie einmal dem „New Yorker“.

Geboren wurde Halbreich, wie sie in ihren vor kurzem veröffentlichten Memoiren schreibt, als einziges Kind wohlhabender Eltern in Chicago. Mit ihrem Ehemann, einem reichen Kleidungsunternehmer, zog sie an die New Yorker Park Avenue und bekam zwei Kinder. Auf einer Party lernte sie einen Designer kennen, begann für ihn zu arbeiten und landete schließlich beim Luxuskaufhaus „Bergdorf Goodman“, wo sie 1976 ihre eigene Abteilung bekam: „Betty Halbreich's Solutions“. „Die Jobs haben irgendwie immer mich gefunden, nicht ich sie.“

Von ihrem mit Orchideen geschmückten Büro im dritten Stock des Kaufhauses kann die Stil-Beraterin auf den Central Park und die Fifth Avenue schauen. Jeden Morgen noch bevor das Geschäft aufmacht, läuft Halbreich alle sieben Stockwerke ab und hält Ausschau nach neuen Kleidungsstücken. „Ich kenne den Laden wie meinen Handrücken.“

Ihre Stil-Regeln sind einfach: Klarer, gerader Schnitt, gute Stoffqualität und perfekter Sitz. „Es muss einem sofort gefallen. Nichts wird besser, wenn man sich darin mehrfach im Spiegel anschaut.“ Ob das Stück von einem besonderen Designer stammt oder besonders teuer war, sei egal. „Zu viele Menschen tragen irgendein Label anstelle von etwas, das ihnen steht.“

Die meist schwerreichen Kundinnen kommen aber nicht nur wegen ihrer Garderobe zu Halbreich. „Meistens haben sie tieferliegende Bedürfnisse. Viele von ihnen brauchen Bemutterung, die ich auf verschiedenste Art und Weise liefere.“ Halbreich empfiehlt Schneider, Restaurants, Paartherapeuten, Zahnärzte und Schulen - und hört vor allem zu. Mit vielen langjährigen Kundinnen ist Halbreich inzwischen eng befreundet. „Manchmal wundere ich mich, dass meine Kundinnen noch nicht ihren Verstand verloren haben. Es ist wirklich erstaunlich, dass ich meinen noch nicht verloren habe, denn wenn es um ihre Probleme geht, dann habe ich alles schon gehört. Und trotzdem liebe ich fast alle meine Kundinnen immer noch.“

Halbreich ist ein Original. Seit fast 60 Jahren lebt sie in der selben Wohnung an der Park Avenue, die sie staubfrei sauber hält. Ihre Ehe ist schon vor Jahrzehnten zerbrochen, aber der Job bewahre sie vor der Einsamkeit, sagt Halbreich. Sie benutzt keinen Computer und kein Handy, liest keine Modemagazine und hat noch nie Jeans getragen.

Kleidung sei ihr eigentlich auch gar nicht so wichtig, sagt die Stil-Beraterin. „Ein Mensch braucht doch eigentlich nicht mehr als ein Outfit und ein anderes während das erste in der Reinigung ist.“ Trotzdem liebe sie ihren Job. „Eine Bluse mit einer Hose zu kombinieren und einen Pulli drüberzulegen, so dass jemand mit einem neuen Outfit aus meiner Tür geht, bedeutet nicht viel. Aber wenn ich auf dem Gesicht eines Menschen diesen Ausdruck von "Ich liebe dieses Outfit wirklich" sehe, dann geht dieses Gefühl, was dieser Mensch mit nach draußen nimmt, auch auf mich über.“

Literatur:

Betty Halbreich: I'll Drink to That: A Life in Style, with a Twist, The Penguin Press 2014, ISBN-13: 978-0143127703