Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung angeklagt
Washington/Paris (dpa) - Schwere und delikate Vorwürfe gegen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn: Wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung wurde der mächtige Chef des Internationalen Währungsfonds und mögliche französische Präsidentschaftskandidat in New York festgenommen und angeklagt.
In einem Luxushotel soll der 62-Jährige nackt über ein Zimmermädchen hergefallen sein und versucht haben, die Frau zu Oralsex zu zwingen. Polizisten holten Strauss-Kahn auf dem New Yorker Flughafen aus der ersten Klasse einer Air-France-Maschine - nur wenige Minuten vor dem Abflug nach Europa. Seine Anwälte erklärten, er werde auf „nicht schuldig“ plädieren, berichte der US-Sender CNN.
Der Franzose, der eines „kriminellen sexuellen Akts“ und der „versuchten Vergewaltigung“ beschuldigt wird, hatte eigentlich am Sonntag Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin treffen wollen. Am Montag war er bei der Tagung der EU-Finanzminister in Brüssel erwartet worden. Wegen des Skandals geraten nun auch die Verhandlungen über Hilfen für die angeschlagenen Euro-Länder Portugal und Griechenland unter Druck.
In Frankreich löste die Festnahme Strauss-Kahns Bestürzung aus. Die Führungsfiguren der größten Oppositionspartei PS zeigten sich am Sonntag schockiert über die Anschuldigungen gegen ihren Genossen, der als aussichtsreichster linker Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2012 galt. Vereinzelt gab es die ersten Forderungen nach einem schnellen Rücktritt von seinem Chefposten beim IWF. Die französische Regierung rief zunächst nur dazu auf, das Prinzip der Unschuldsvermutung zu respektieren.
Die Polizei schilderte nach Angaben des US-Senders CNN den Fall so: Das Zimmermädchen habe am Samstag gegen 13.00 Uhr Ortszeit die für 3000 Dollar pro Nacht vermietete Luxussuite betreten - ohne zu wissen, dass sich dort jemand aufhielt. In diesem Moment sei Strauss-Kahn nackt aus dem Badezimmer gekommen, auf sie zugerannt und habe sie ins Schlafzimmer gezerrt. Dort habe er begonnen, sie zu attackieren.
Es sei ihr jedoch zunächst gelungen, ihn abzuwehren und wegzulaufen, sagte die 32-Jährige laut CNN der Polizei. Doch im Badezimmer habe Strauss-Kahn die Frau wieder erwischt und versucht, ihr die Unterhose herunterzureißen. Zudem soll er versucht haben, sie zu Oralsex zu zwingen. Es sei ihr aber gelungen, aus der Suite zu entkommen und zur Rezeption zu rennen. Die Frau wurde mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.
Der 62-Jährige soll nach dem Vorfall in aller Eile zum Flughafen aufgebrochen sein, wo er in der Air-France-Maschine mit der Flugnummer 23 festgenommen wurde. Er habe keinen Widerstand geleistet und sei nicht in Handschellen abgeführt worden. Nach Angaben der „New York Times“ wurde er nach der Festnahme in einer Zelle der Polizeiabteilung für Sexualverbrechen eingesperrt.
Strauss-Kahn gilt als möglicher Kandidat der französischen Sozialisten bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr. Er hatte schon einmal eine Kandidatur der Linken angestrebt, war aber gescheitert. Seit 2007 ist der frühere französische Finanzminister Chef des Währungsfonds. Gerade bei der Bewältigung der weltweiten Finanzkrise und der Probleme des Euro hatte er eine zentrale Rolle gespielt.
Die Frau Strauss-Kahns hält es für ausgeschlossen, dass ihr Gatte in New York ein Zimmermädchen vergewaltigen wollte. „Ich glaube nicht eine einzige Sekunde an die Anschuldigungen, die gegen meinen Mann erhoben werden“, schrieb Anne Sinclair in einer kurzen Stellungnahme an die französische Nachrichtenagentur AFP. Sie sei überzeugt, dass die Unschuld ihres Mannes bewiesen werde.
Die in den USA geborene Sinclair ist die dritte Ehefrau von Strauss-Kahn. Die beiden sind seit knapp 20 Jahren verheiratet. Bereits nach einem Seitensprung Anfang 2008 stand die 62-Jährige zu ihrem Mann. Damals hatte er kurz nach dem Beginn seiner Amtszeit in Washington eine Affäre mit einer Mitarbeiterin.
Der IWF bestätigte die Festnahme in einer kurzen Erklärung auf seiner Website. Es werde vorerst aber keine weitere Erklärung geben, alles laufe über Strauss-Kahns Anwälte und die örtlichen Behörden. Der IWF bleibe voll funktionsfähig, wurde in der Erklärung betont.
Die Euro-Finanzminister sollen an diesem Montag in Brüssel die Milliardenhilfen für Portugal billigen. An dem Hilfspaket für Lissabon im Umfang von 78 Milliarden Euro beteiligt sich der Internationale Währungsfonds (IWF) zu einem Drittel.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble befürchtet trotz der Turbulenzen um den IWF-Chef keine Verzögerungen bei den Verhandlungen über Euro-Rettungspakete. „Die Lösung der Probleme ist dadurch nicht belastet“, sagte Schäuble am Sonntag der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Der IWF ist voll arbeitsfähig.“
Der IWF trägt ein Drittel der internationalen Milliarden-Hilfen für Portugal und Griechenland. Der Rest entfällt auf die europäischen Partner. Das geplante Hilfspaket für Portugal umfasst 78 Milliarden Euro. Griechenland hat vor einem Jahr Nothilfen von 110 Milliarden zugesagt bekommen. Inzwischen wird aber über weitere Hilfen an Athen sowie zusätzliche Erleichterungen diskutiert.