Streit um das Erbe der „roten Herzogin“ - Prozess
$lead
Cádiz (dpa) - Mit ihren Kindern hatte die Herzogin von Medina-Sidonia sich zu Lebzeiten nicht verstanden. Sieben Jahre nach dem Tod der Mutter streiten die beiden Söhne und die Tochter der langjährigen Chefin eines der bedeutendsten spanischen Adelshäuser um das Erbe.
In einem Prozess vor einem Gericht in Südspanien erheben sie Anspruch auf das vielleicht größte historische Privatarchiv in Europa.
Die „rote Herzogin“ Luisa Isabel Alvarez de Toledo, wie die Adlige wegen ihrer Gegnerschaft zur Franco-Diktatur (1939-1975) genannt wurde, hatte die Sammlung von unschätzbarem Wert einer Stiftung vermacht. Zu deren Präsidentin ernannte sie ihre - aus Deutschland stammende - Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Liliane Dahlmann.
Das Archiv wurde offiziell als Kulturgut anerkannt und umfasst sechs Millionen historische Schriftstücke, die im herzöglichen Palast in Sanlúcar de Barrameda untergebracht sind. Das älteste stammt aus dem Jahr 1228. In inoffiziellen Schätzungen war am Rande des Prozesses von einem Wert von mehr als 60 Millionen Euro die Rede.
Die Herzogin Luisa Isabel (1936-2008) hatte sich nie in die Rolle eines Mitglieds des Hochadels gefügt und immer wieder gegen Konventionen verstoßen. Dabei war sie die Erbin des ersten erblichen Herzogtitels, den die spanische Krone im Jahr 1445 vergeben hatte. Die Aristokratin legte sich mit dem Franco-Regime an und unterstützte protestierende Landarbeiter. Dies brachte ihr acht Monate Haft ein. Als ihr nach der Freilassung wegen eines Romans mit dem Titel „Huelga“ (Streik) eine erneute Inhaftierung drohte, ging sie ins Exil nach Frankreich. Ihre Kinder wuchsen bei Verwandten auf.
Bei der Hochzeit des ältesten Sohnes lernte die „rote Herzogin“ Dahlmann kennen, die in jungen Jahren aus Deutschland nach Spanien übergesiedelt war. Beide Frauen machten die Aufarbeitung des herzöglichen Familienarchivs zu ihrer Lebensaufgabe. Die Herzogin, die nur drei Jahre mit ihrem Ehemann und Vater der drei Kinder zusammengelebt hatte, gründete 1990 eine Stiftung zur Pflege des Erbes. Im März 2008 heiratete sie ihre Mitarbeiterin, die mehr als zwei Jahrzehnte lang ihre Lebensgefährtin war. Wenige Stunden später starb sie im Alter von 71 Jahren an einem Lungenleiden.
Ihre Söhne Leoncio (59) und Gabriel (57) sowie die Tochter Pilar (58) sahen in der Gründung der Stiftung und der Heirat der Mutter ein Manöver, sie um das Erbe zu bringen. Der älteste Sohn Leoncio, der neue Herzog von Medina-Sidonia, erklärte vor Gericht, es sei für ihn eine „moralische Verpflichtung“ dafür zu sorgen, dass das jahrhundertelang erhaltende Erbe auch nach 27 Generationen im Familienbesitz bleibe.
Seine Geschwister sind auch nach dem Tod der Mutter nicht gut auf die Herzogin zu sprechen. „Meine Mutter hatte von Anfang an klar gemacht, dass sie alles daran setzen werde, uns übers Ohr zu hauen“, beklagte Gabriel González de Gregorio am Rande des Verfahrens. Seine Schwester Pilar hatte über die Herzogin einmal gesagt: „Sie war eine einzigartige Person und hatte viele Qualitäten, aber die Mutterschaft gehörte nicht dazu.“
Die Witwe der Herzogin und Stiftungspräsidentin Dahlmann betonte demgegenüber, das Archiv solle als eine öffentliche und kulturelle Einrichtung erhalten bleiben. „Man sollte den letzten Willen eines Menschen respektieren“, sagte die 59-jährige Historikerin zu Beginn des Prozesses. Sie äußerte den Verdacht, dass die Kinder der Herzogin das Archiv aufteilen und zu Geld machen wollten. Um einen Verkauf der historischen Dokumente gar nicht erst zuzulassen, habe die Stiftung sich stets geweigert, den Wert des Archivs schätzen zu lassen.
„Die Güter sind nicht auf dem Markt“, sagte Dahlmann. „Eine Schätzung hätte das Tor geöffnet, die historischen Schätze zu pekuniären Zwecken zu gebrauchen.“ Allerdings musste sie einräumen, dass die Dokumente nicht versichert seien, weil ihr Wert nicht festgestellt worden sei.
Die Kinder der Herzogin bestritten, das Archiv aufteilen zu wollen. „Eine solche Idee kommt uns nicht in den Sinn“, sagte der älteste Sohn und neue Herzog von Medina-Sidonia der Zeitung „Diario de Cádiz“. „Eine Aufteilung wäre auch gar nicht möglich, weil die Integrität des Archivs gesetzlich geschützt ist.“ Die Verhandlungen in dem Prozess sollen bis Ende Oktober dauern, wann ein Urteil fällt, ist offen.