Suhrkamp-Rettung in Sicht - Grünes Licht der Gläubiger
Berlin (dpa) - Die Truppe um Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz war sichtlich erleichtert.
„Wir werden zwar nicht gleich ins Heilige Land einziehen und alles ist eitel Sonnenschein, aber viele Probleme werden doch ein Ende haben“, frohlockte der Generalbevollmächtigte des Verlags, Frank Kebekus, am Dienstag im Amtsgericht Berlin-Charlottenburg.
Die Gläubiger des angeschlagenen Traditionshauses hatten gerade grünes Licht für den Insolvenzplan der Verlagschefin gegeben. Die Witwe von Firmenpatriarch Siegfried Unseld will das Unternehmen durch das Verfahren von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Sie erhofft sich dadurch einen Befreiungsschlag gegen den Miteigentümer Hans Barlach, mit dem sie seit Jahren heillos zerstritten ist.
Der 58-jährige Medienunternehmer, Enkel des Bildhauers Ernst Barlach, erschien am Dienstag nicht persönlich in Berlin. Nach Angaben des gerichtlich bestellten Sachwalters Rolf Rattunde ließ er jedoch durch seine Anwälte Widerspruch gegen das Votum der Gläubiger anmelden. Verhindern konnte er es nicht: Er ist über seine Medienholding nur mit 39 Prozent am Verlag beteiligt und wurde von Unseld-Berkéwicz' Familienstiftung mit 61 Prozent überstimmt.
Zu Ende ist der siebenjährige Krieg der beiden Gesellschafter damit wohl noch nicht. Das Amtsgericht muss die Entscheidung der Gläubigerversammlung noch bestätigen - voraussichtlich frühestens Ende November. Danach blieben Barlach zwei Wochen Zeit, Beschwerde einzulegen und damit die Umsetzung des Involvenzplans im letzten Augenblick doch noch zu verhindern. Allerdings sind die Hürden hoch.
Schon bisher hat sich der Unternehmer mit allen juristischen Mitteln dagegen gewehrt. Denn er verlöre als Aktionär weitgehende Mitspracherechte, die er bisher als Gesellschafter mit einem großzügigen Sondervertrag hat. Zudem droht ihm ein Millionenverlust. Denn das Konzept sieht vor, dass beide Gesellschafter auf ihre finanziellen Ansprüche an den Verlag verzichten. Insgesamt geht es um rund 8 Millionen Euro - etwa 2,2 Millionen entfallen auf Barlach.
Allerdings hofft die Gegenseite, dass sich der ungeliebte Partner angesichts der neuen Konstruktion ganz aus dem Geschäft zurückziehen könnte. Der Insolvenzplan sieht dafür eine Abfindung von 50 Euro pro Aktie vor, wie der Generalbevollmächtigte Kebekus bestätigte. Das wären für Barlach rund 180 000 Euro - ein krasser Verlust gegenüber den 10,8 Millionen Schweizer Franken, die ihm für seine Anteile einst in Rechnung gestellt wurden.
Zudem sind auch noch andere Verfahren zwischen den Kontrahenten offen. In Berlin muss eine zweite Instanz entscheiden, ob Unseld-Berkéwicz tatsächlich als Geschäftsführerin abgesetzt ist. Und das Frankfurter Landgericht will am 13. November über Klagen befinden, mit denen sich die beiden wechselseitig als Gesellschafter ausschließen lassen wollen. Was passiert, wenn sie nach der Änderung der Rechtsform gar nicht mehr Gesellschafter sind, sondern Aktionäre, ist offen.
Im Amtsgericht wollten sich die Anwesenden am Dienstag deshalb zunächst einmal über den Etappensieg freuen. „Das Wichtigste ist, dass der Dauerstreit aufhört - das ist absolut im Interesse der Autoren“, sagte der Schriftsteller Durs Grünbein, der wie manch anderer Kollege aus demonstrativer Solidarität mit dem Traditionsverlag gekommen war.
„Heute wurde abgestimmt über Beckett gegen Barlach. Und Beckett hat gewonnen“ - so formulierte es Schriftsteller Ralf Rothmann mit Blick auf die Liste prominenter Autoren, die Suhrkamp einst zur Legende gemacht haben. „Herr Barlach hat mit Geist so viel zu tun, wie eine Kuh mit Milchstraße.“