Talkshow: Judith Rakers - Einmal anders als brav und bieder
Die Neue bei „3nach9“: „Tagesschau“-Sprecherin Judith Rakers gibt Freitag ihren Einstand.
Hamburg. "Miss Tagesschau" kann ganz anders als brav und bieder: Judith Rakers wartet im Gespräch mit Rapper Sido mit einem Vokabular auf, das man dem "schönsten Gesicht der Tagesschau" eher nicht zugetraut hätte.
Natürlich werden auch Worte wie "Arsch" von der 34-Jährigen sauber artikuliert, mit geschulter Stimme vorgetragen und bisweilen doch lieber noch mit einer Entschuldigung versehen.
Und das war "nur" ihr Gast-Auftritt als Moderatorin der Radio-Bremen-Talkshow "3 nach 9" im Juli, die seit längerem eine Neue neben Giovanni di Lorenzo brauchte. Doch der Auftritt lief so gut, dass Rakers den Job bekam - am Freitag um 22.45 Uhr gibt sie ihren Einstand.
Seit fünf Jahren spricht Rakers die Nachrichten in der "Tagesschau" und stand schon für das "Hamburg Journal" des NDR Fernsehens vor der Kamera.
Anfang 2010 gab die gebürtige Paderbornerin, die mit ihrem Ehemann in Hamburg lebt, diese Moderation aber ab. Ihr Gast-Auftritt bei "3 nach 9" sei nie als eine Art Casting geplant gewesen, betonte Redaktionsleiter Helge Haas. Doch dann habe es gefunkt.
Journalistin Rakers, die auch immer wieder Vergleiche mit Eva Herman oder Susan Stahnke hinnehmen muss - beide einstige blonde "Tagesschau"-Aushängeschilder und nach Ausflügen in andere Gefilde abgestürzt -, gibt sich selbstbewusst: "Ich bin kein Kaufanreiz."
Neben ihrem Kollegen di Lorenzo, mit dem sie am Freitag Gäste wie Hannelore Elsner, Moritz Bleibtreu und Ulrich Tukur empfängt, wolle sie eine gleichberechtigte Rolle einnehmen. Dieser nannte sie bereits professionell, konzentriert und charmant.
Auch Programmdirektor Dirk Hansen ist voll des Lobes: "Judith Rakers kann und wird zeigen, dass ihre Spannweite bis zu hemmungsloser Subjektivität reicht - und da ist sie bei ,3 nach 9’ genau an der richtigen Stelle."
"Anti-Charlotte-Roche" musste sich die 34-Jährige bereits von der "taz" betiteln lassen. "Dass die Wahl auf Rakers fiel, zeigt, wie stark das gescheiterte Experiment mit der bei Viva bekanntgewordenen Roche nachwirkt", kommentierte die Zeitung den "kompletten Gegenentwurf" zu ihrer Vorgängerin.
Die "Feuchtgebiete"-Autorin Roche hatte vor einem Jahr mit großem Tamtam die Nachfolge von Amelie Fried als Moderationspartnerin des 51-jährigen di Lorenzo übernommen und sollte mit ihrer frech-flippigen Art der dienstältesten Talkshow im deutschen Fernsehen mehr jüngere Zuschauer bescheren.
Doch die Einschaltquoten schnellten damals nicht in die Höhe, stattdessen verließ Roche die Sendung Anfang Januar nach nur vier Monaten. In ihrer letzten "3 nach 9"-Sendung nahm sie noch auf dem Schoß eines Studiogastes Platz - dann war sie weg. Die Trennung erfolgte nach Angaben des Senders in gegenseitigem Einvernehmen.
Es gebe unterschiedliche Auffassungen über die Sendung, sagte Programmdirektor Dirk Hansen: "Wir wollen eine andere Sichtweise, die für alle Altersgruppen spannend ist." Die Stammzuschauer sollten aber nicht verprellt werden.
Seit bald 36 Jahren läuft "3 nach 9". Im Durchschnitt sehen nach Radio-Bremen-Angaben bundesweit etwa 1,5 Millionen Zuschauer die Talkshow, die zeitgleich in den dritten Fernsehprogrammen des Norddeutschen Rundfunks (NDR), des Hessischen Rundfunks (hr) und des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) ausgestrahlt wird.
Talkshow-Urgestein di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", ist seit 1989 dabei.