Teilzeit-Wunder: Epischer Pop von Milagres
Berlin (dpa) - Kyle Wilson hat eine wirklich tolle Stimme. Zwischen Falsett und Heldentenor trifft der Sänger von Milagres punktgenau jeden Ton, er veredelt jeden einzelnen Song seiner Brooklyner Band.
Und er weiß Euphorie, Melancholie, Trauer und Wut gleichermaßen zu vermitteln.
Aber irgend etwas fehlt beim Milagres-Album „Glowing Mouth“, irgend etwas lässt kalt. Ist es die gnadenlose Perfektion dieser dramatischen Artpop-Lieder, die Wilson und seine vier Mitstreiter in einem New Yorker Studio aufgenommen haben? Oder fehlt das Eigenständige in diesen oft an Talk Talk, Coldplay, Wild Beasts oder (im Intro von „Gone“) gar an Supertramp erinnernden Songs? Klingen die opulenten, keyboardlastigen Arrangements am Ende doch nur pathetisch?
Ein leichtes Unbehagen bleiben also auch bei noch so hemmungslos schönen, dramatisch gesungenen Tränenziehern wie „Halfway“ oder „Gentle Beast“. Die Band versteht ihr Handwerk, sie hat jede Menge Talent - das ist in jeder Sekunde dieser ambitionierten Platte zu hören, wohl am eindrucksvollsten im dunklen Piano/Streicher-Epos „Moon On The Sea's Gate“.
Und wenn sie mal die Zügel schießen lässt wie im unkonventionell dahergaloppierenden Pop von „Lost in The Dark“, dann denkt man tatsächlich an Coldplay vor zehn Jahren zurück. Auch Chris Martin und Co. brauchten ja eine gewisse Anlaufzeit, ehe sie mit „A Rush Of Blood To The Head“ (2002) ihren Sound gefunden hatten (um sich dann leider meist in Wiederholungen zu ergehen).
Milagres ist Portugiesisch und heißt „Wunder“. Wunderschön ist so manches auf „Glowing Mouth“, aber vom Status einer Wunderband sind Kyle Wilson und seine Jungs dann doch noch ein gutes Stück entfernt. Lassen wir uns vom nächsten Album eines Besseren belehren - es wäre kein Wunder...