Teufel in Prada? „Vogue“-Chefin Anna Wintour wird 65
New York (dpa) - Eigentlich ist sie ja nur Chefredakteurin einer Modezeitschrift - aber sie ist DIE Chefredakteurin DER Modezeitschrift. Anna Wintour gehört zu den mächtigsten Journalisten der USA - aber trotz ihres wenig schmeichelhaften Spitznamens besitzt sie offenbar Humor.
Zuweilen geht in New York eine Modenschau nicht los, obwohl eigentlich alle da sind: der Designer, die Models, Zuschauer, Beleuchter und Stylisten - nur eben nicht „sie“. Anna Wintour gilt als die mächtigste Frau in der Modeszene New Yorks, ja der Welt. Die Chefin der US-Ausgabe des Modemagazins „Vogue“ kann über Wohl und Wehe, Aufstieg und Fall, Weltkarriere und Flop einer Kollektion oder gar eines Designers entscheiden. Ein offenes Geheimnis ist, dass mit „Der Teufel trägt Prada“ die Londonerin gemeint war. An diesem Montag wird sie 65.
Vor Anna Wintour gab es auch schon Modezeitschriften. „Vogue“ zum Beispiel existierte schon fast 100 Jahre, bevor sie 1988 das Ruder übernahm. Aber die zierliche Engländerin krempelte das Magazin um, wie sie es zuvor mit der englischen Ausgabe gemacht hatte. Das Journal berichtete nicht mehr über Trends, es setzte sie. „In "Vogue" zu sein, muss etwas bedeuten“, sagte Wintour einmal. „Es muss eine Auszeichnung sein, eine Bestätigung.“
„Vogue“ ist heute eine Art Bibel für Modegläubige mit gut elf Millionen Lesern, die sich nicht an den Dutzenden Seiten Hochglanzwerbung stören, bevor überhaupt erst das Inhaltsverzeichnis kommt. In der Regel sind zwei- oder dreimal so viele Seiten mit Werbung gefüllt wie mit Text. Und manchmal muss man zweimal hinsehen, zu welcher Kategorie das bunte Foto denn nun gehört.
Natürlich muss sich eine Frau in ihrer Position viel Kritik anhören. Arrogant und bestimmend sei sie, heißt es. Tierschützer stören sich daran, dass „die böse Hexe“ immer wieder Mode mit Pelz auf den Titel setzt und bewarfen sie mehrfach mit Torten, Kunstblut oder Mehlbomben. Andere werfen ihr vor, vor allem teure Dinge zu Trends zu erklären. Und das, wo sie doch überzeugte Demokratin sei. Barack Obama unterstützte sie mit einem Wahlkampfabend, bei dem ein Gedeck 40 000 Dollar kostete. Es gab sogar Gerüchte, der Präsident wolle sie zur Botschafterin in Großbritannien machen.
„Nuclear Wintour“ wird die kühle Wintour genannt - in Anspielung auf den nuklearen Winter, der Theorien zufolge einem Atomschlag folgen würde. Wintour gilt als fast emotionslos im Umgang mit ihrer Redaktion, ihr Urteil über Mode, Ausgaben oder gar Mitarbeiter wiegt schwer.
Für das Magazin „Forbes“ ist „die meistbeachtete Frau der Modeszene“ Nummer 39 unter den „Powerfrauen“ der Welt, Nummer eins ist die deutsche Regierungschefin Angela Merkel. Wenn bei einer wichtigen Modenschau Wintours Stuhl leerbleibt, ist es plötzlich keine wichtige Modenschau mehr. Wenn doch, scheint ihr Gesicht unter ihren Markenzeichen - Pagenkopf und Sonnenbrille - ungerührt.
Aber Wintour fördert auch. Sie hat nicht nur einen Blick für Trends, sondern auch für junge Designer. John Galliano war so einer oder auch Marc Jacobs. Und die Autorin Plum Sykes („Park-Avenue-Prinzessinnen“) hat ihren Erfolg zu großen Teilen Wintour zu verdanken.
Als Wintours Ex-Mitarbeiterin Lauren Weisberger ein Buch schrieb, half sie nicht, aber „Der Teufel trägt Prada“ wurde dennoch ein Welterfolg. Immerhin: Als das Werk 2006 mit Meryl Streep und Anne Hathaway verfilmt wurde, kam sie zur Premiere - in Prada.