The Maccabees und ihr Begriff von Wildheit
Berlin (dpa) - Als eine der hoffnungsvollsten britischen Gitarrenbands hatte man sich die Maccabees vorgemerkt, nachdem sie 2007 ihr Debütalbum „Colour It In“ veröffentlicht hatten.
Nun ist mit „Given To The Wild“ schon die dritte Platte der fünf Jungs aus dem Süden Londons erschienen. Sie klingt immer noch „very british“ - und doch anders als der Titel verspricht.
Es kann passieren, dass Bands zu früh hochgelobt. Entweder brechen sie unter der Last der Erwartungen einschlägiger Musikmagazine zusammen, scheitern an ihrem eigenen Anspruch, oder sie landen in der Rubrik „Klingt wie....“ und verschwinden in der Versenkung.
Als die Maccabees 2007 vom „New Musical Express“ frühzeitig als „best new band in Britain“ bezeichnet wurden, machten sie sich nicht allzu viel aus dem damit erzeugten Druck. Sie bewegten sich einfach weiter zwischen ihren eigenen Londoner Wurzeln und dem Freiraum von Studienabbrechern, die ihr Kreativzentrum auch schon mal von der Hauptstadt ins hippe Brighton verlegten. „Wir wollten uns nur noch mit Musik beschäftigen“, sagte Gitarrist Felix White damals.
Das haben sie mit ihrem dritten Album zweifelsohne getan. „Given To The Wild“ überrascht. Schon allein deshalb, weil von dem urbanen Mix aus Neo-Postpunk und Indie-Rock nicht viel übrig geblieben ist. Taumelnde Gitarrenriffs, die nur ab und an von zackigen Basslinien unterbrochen werden, elektronische Klanggebäude in epischer Länge und Drums, die plötzlich einen schnelleren Gang einlegen und die Songs vorantreiben, wie auf den Höhepunkt eines Deliriums.
Darüber schluchzt und jammert Orlando Weeks, dessen faszinierende Stimme den Zuhörer in den Song hineinziehst und der den Vergleich mit seinem inzwischen berühmten Kollegen Win Butler (Arcade Fire) schon lange nicht mehr scheuen muss.
„Es wurde so spannend, weil wir Musik in einer Art und Weise machten, wie wir es nie zuvor getan haben“, beschreibt Gitarrist White die Arbeit am Album. Tim Goldsworthy (LCD Soundsystem) und Bruno Ellingham (Chikinki, Midge Ure) wurden als Produzenten für den ersten Teil des Albums hinzugezogen, um die Band auf diesem sehr experimentellen Weg der Instrumentierung zu beraten.
Diese Parts nahmen die Maccabees in den Rockfield Studios in Monmouth/Wales auf. Den zweiten Teil bilden Songs, die jeder zuhause ausgefriemelt hatte. „Es ist schön, dass die Teile, die wir in unseren Schlafzimmern machten, neben denen stehen können, die wir im Studio produziert haben“, freut sich Gitarrist Hugo White.
Vor allem beim zweiten Album hatte jeder Maccabee das eingebracht, was ihn zur Musik gebracht hatte: Die Brüder Hugo und Felix White steuerten krachige Gitarren und erdigen Postpunk bei, Schlagzeuger Sam Doyle und Bassist Rupert Jarvis den Indie-Rock-Anteil, Sänger Orlando Weeks mit seinem grandiosen Falsett den Art-Pop. Ein Gemisch, das eingängige, prägnante Songs hervorbrachte, die Band wachsen ließ und in die Charts katapultierte. Auch eine US-Tour mit Bloc Party und Auftritte als Opener der Arctic Monkeys und der Editors fielen dabei ab.
„Given To The Wild“ ist indes weder eingängig noch prägnant - eher eine kunstvolle Gesamtinszenierung. Die Songs tun nie das, was man erwartet. Die Platte ist üppig bestückt mit Klangkunstwerken, sie atmet einen neuen, emotionalen Sound. Schon die Vorabsingle „Pelican“ ringt die schroffen Gitarren mit einem klangfarbigen Chor nieder. Da ist kein vordergründig ruheloser Beat, stattdessen Innehalten wie bei „Feel The Follow“, das sich steigert in seiner Intensität und Zerrissenheit. „Grew Up At Midnight“ mutet geradezu sakral an.
Die fünf Musiker bewegen sich irgendwo zwischen Komplexität und Synthetik, zwischen alt und neu, zwischen Ruhe und Rastlosigkeit, zwischen Handwerk und Inszenierung. Sie haben etwas Neues für sich entdeckt, ohne sich neu erfinden zu müssen. Üblicherweise tut man Bands mit „Klingt nach...“-Vergleichen keinen Gefallen. Die Maccabees bewegen sich jetzt zwischen Arcade Fire und Coldplay - und das kann man auch als Kompliment verstehen.
The Maccabees live: 13.02.München, Backstage Halle - 15.02.Köln, Gebäude 9 - 16.02.Hamburg, Uebel & Gefährlich - 20.02.Berlin, Festsaal Kreuzberg