„The Show Must Go On“: Die Pariser Couture feiert das Leben

Paris (dpa) - Die „Hohe Schneiderkunst“ schlägt sich dieser Tage wacker in Paris. Statt traumtänzerisch gibt sich die Modewelt lebensnah - und bei Chanel zudem bauchfrei.

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Sie gilt als Traumfabrik der Mode: Die Pariser Haute Couture, die mit ihren handgearbeiteten Roben nur für einige „Happy Few“ weltweit erschwinglich ist, hat mit dem Alltag der meisten wenig zu tun. Bei den seit Sonntag laufenden Schauen der Hohen Schneiderkunst für Frühjahr/Sommer 2015 gibt sie sich nun eher bodenständig. Allzu Zuckersüßes zu zeigen, wäre nach den Terror-Anschlägen in Paris wenig angebracht: Polizeiabsperrungen und Sicherheitskontrollen vor den Schauen passen nicht zum Laufstegmärchen. Mit offensiven Statements halten sich die Häuser allerdings zurück.

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„Bei uns gibt es keine Botschaft“, sagte etwa Farida Khelfa, Ex-Model und offizielle Vertreterin des Hauses Schiaparelli. „Wir bleiben einfach dem Leben zugewandt.“ Vielleicht konnte man auch das Setting der Chanel-Schau in diesem Sinne verstehen: Eine Treibhauskulisse mit exotischen Papierblumen, dies jedoch in kalten Blaugrau- und Weißtönen. Zu Beginn der Schau öffneten jene sich zu prächtigen bunten Blüten - eine Feier des Lebens gegenüber allem Kühlen, Erstarrten.

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„The show must go on“, sagte Chanel-Designer Karl Lagerfeld später. Er lebe als Modemacher aber nicht in der Realität, sondern in der Vorstellung. „Und die ist manchmal besser als die Wirklichkeit.“ Das wunderschöne Brautkleid am Ende zeugte davon: Die mit handgerollten Blüten und Federn bestickte Schleppe hatte Lagerfeld zufolge 15 Näherinnen einen Monat an Arbeit gekostet.

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Doch Lagerfeld ist kein Traumtänzer: Die kunstvoll gefertigten Kostüme und Kleider in klaren, leicht gerundeten Linien wirkten soft, elegant und tragbar - ob in Jadegrün oder goldig schimmerndem Creme, ob in buntem Tweed oder in bläulichen Rosétönen. Einige Entwürfe waren mit üppigen Blüten besetzt, doch die flachen Stiefeletten dazu hielten sie auf dem Boden der Tatsachen. Viele Kostüme ließen den Bauch frei. „Die Taille ist das neue Dekolleté“, meinte Lagerfeld. Wer das nicht möge, dem bleibe die Option einer zarten Plisseebluse zum Unterziehen.

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Natürlich liegt es nicht an den Anschlägen, dass sich die Couture modernisiert. Seit Jahren schon gibt sie sich frischer, flexibler und tragbarer. Die schön gearbeiteten Roben von Alexis Mabille mit riesigen Blütenmustern, Drapierungen, mehrlagigen Stoffbahnen oder einer üppigen Schleife als „Dekor“ wirkten daher auch etwas „aus der Zeit gefallen“.

Anders Raf Simons bei Dior: Er beschäftigte sich in seiner Schau für Dio, zu der auch Schauspielerin Nathalie Portman kam, mit der Zeit selbst, dem Verhältnis von Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Ein Thema, an dem er sich seit einigen Saisons versucht. Jetzt zeigte er einen Mix aus dem die 1950er Jahre aufmischenden „New Look“, dem futuristischen 1960er-Weltraumstil von Designern wie André Courrèges oder Paco Rabanne mit ihren kurzen Kleidchen und ihrer Liebe zu Kunststoffen sowie der Hippie-Mode der 70er.

Nichts daran wirkte „Retro“: Ein blassgrüner Plastikregenmantel mit zartem Blattmuster über einem fein bestickten Minikleidchen zu braunen überlangen Stiefeln aus Vinyl mit transparenten Absätzen, seidene Catsuits, deren Paillettenstickerei ein Tarnmuster formte oder plissierte Tellerröcke in bunten Streifen, die sich wie Lampions unter schlichten Woll-Oberteilen öffneten. Alles irgendwie schon einmal da gewesen und doch ganz neu gesehen. Und das ist wahrscheinlich das Beste, was Couture dieser Tage leisten kann: Zu zeigen, dass etwas aus vielen unterschiedlichen Richtungen nebeneinander betrachtet werden kann. Und sei es nur ein Kleid.