Tomi Ungerer: Zwischen Witz und Provokation
Sein Markenzeichen ist der scharf gespitzte Bleistift. Zeichner Tomi Ungerer ist unermüdlich. Am Montag wird er 80.
Straßburg. Am Montag wird Tomi Ungerer 80 Jahre alt. Doch von Müdigkeit keine Spur. „Wir werden alt, wenn wir aufhören zu arbeiten und zu denken“, sagte der Künstler kürzlich. Der Uhrmacher-Sohn, als Jean-Thomas Ungerer 1931 in Straßburg geboren, hat mehr als 150 Bücher geschrieben und illustriert und etwa 40 000 Zeichnungen, mehr als 300 Plakate, Dutzende Ölbilder, Lithographien und Skulpturen geschaffen. Die erotische Provokation ist sein Markenzeichen — immer verbunden mit Ironie oder scharfem Witz.
Mit Begeisterung zeichnete Ungerer kaum bekleidete elsässische Trachtenmädchen, die sich intim mit Knackwürsten beschäftigen. „Ungerer schafft es, auch dem trübsinnigsten Betrachter ein Lächeln zu entlocken“, schrieb ein Kritiker. Bei den konservativen Elsässern sind die lockeren Werke des Meisters zunächst nicht gut angekommen. In Deutschland waren Ungerers Werke lange populärer als in Frankreich, doch auch auf deutscher Seite wurden manche seiner erotischen Zeichnungen als zu provozierend empfunden.
Die Kritik, er sei pornografisch und sexistisch, hat er stets entschieden zurückgewiesen. „Ich bin ein Aufzeichner. Meine erotischen Zeichnungen sind reine Satire. Ich will entlarven, was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex abhängig machen“, sagt er.
Absoluter Renner im deutschsprachigen Raum ist „Das große Liederbuch“ (1975) mit Volks- und Kinderliedern und Zeichnungen. Mehr als 500 000 Exemplare wurden verkauft. In Frankreich dagegen kennt man seine Kinderbücher wie „Die drei Räuber“ und „Crictor“.
Dem jungen Ungerer wurde nach dem gescheiterten Abitur Europa bald zu eng, und so schiffte er sich im Februar 1956 mit „sechzig Dollar in der Tasche und einem Koffer voller Zeichnungen“ nach New York ein. 15 Jahre lebte er dort, schrieb Kinderbücher und zeichnete Werbeplakate sowie sozialkritische Karikaturen gegen den Vietnamkrieg.
1971 zog er sich nach Kanada zurück, und 1976 suchte er sich in Irland ein neues Domizil zusammen mit seiner zweiten Frau Yvonne und seinen drei inzwischen erwachsenen Kindern aus erster Ehe. In Straßburg hat er seinen zweiten Wohnsitz. „Meine Wurzeln sind im Elsass, meine Baumkrone ist in Irland“, pflegt er zu sagen.
Die Elsässer haben ihm Sprüche wie „Das Elsass ist wie ein Klo, immer besetzt“, übelgenommen, doch das ist lang vergessen. 2007 wurde in Straßburg nach jahrelangem politischen Tauziehen ein Ungerer-Museum eröffnet. Diese Ehrung zu Lebzeiten hat in Frankreich kaum einer geschafft.
Die Werke bleiben immer aktuell. Poster gegen Nazi-Schrecken, gegen Rassismus und Atomkraft veranschaulichen Ungerers Engagement. Er versteht es, mit wenigen Strichen das Wesentliche auszudrücken.