Touristen in der Türkei: Weit weg vom Traumurlaub
Antalya (dpa) - Die Leere hat sich manch ein Tourist vielleicht schon mal gewünscht, der sich bei 32 Grad mitten in der Hochsaison ein Plätzchen auf der Liege neben Hunderten anderen sichern musste. Verlassene Strände sind in diesem Jahr traurige Wirklichkeit in der Türkei.
Das Land kommt nicht zur Ruhe: Auf Terroranschläge folgte ein Putschversuch - und nun auch noch der Ausnahmezustand. Pralle Sonne, stahlblauer Himmel, funkelndes Meer und gewaltige Berge: Weder die perfekte Urlaubskulisse noch die günstigen Preise oder der gute Service in den Hotels am Mittelmeer können so viele Touristen nach Antalya locken wie in den vergangenen Jahren.
„Der Tourismus in Antalya ist am Boden“, sagt Basak Yilmaz. An ihrer Bar am eigentlich so beliebten Lara Beach wartet alles auf die Besucher: Der Rasen wird gesprenkelt, die hölzernen Wege über dem heißen Sand sind gefegt. Während in Ankara der Nationale Sicherheitsrat und das Kabinett unter Leitung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in einer Sondersitzung die Verhängung des Ausnahmezustandes für drei Monate vorbereiten, stehen in Antalya die Liegen bereit, mit Handtuch reserviert ist keine. Auch die Sonnenschirme bleiben zusammengefaltet.
„Schade“, sagt Celal Kaya. Er wiederholt es immer wieder. Jedes Jahr kommt er mit seiner Frau Hafise her. Auch dieses Jahr sei das keine Frage gewesen, obwohl er am vergangenen Samstag beim Kofferpacken die Nachrichten sah und hörte: Teile der Streitkräfte in der Türkei haben geputscht. „In Antalya ist alles okay, alles ruhig“, sagt er mit fester Stimme und blickt aufs Meer. „Wenn man europäisches Fernsehen sieht, sieht man nur Krieg, nur Militär. Hier ist kein Krieg!“
Für Birol Baykal bedeutet das Wegbleiben der Menschen: „30 Prozent weniger Lohn in diesem Monat.“ Wenn er nicht gerade mit Touristen spricht, hat er Sorgenfalten im Gesicht. Er wirbt wie der 27-jährige Halil für Wassersport. Für Halil ist es der Job für die heiße Jahreszeit, im Sommer hält er es in Istanbul nicht aus. Jetzt schlägt er mit seinen zwei Kollegen am Stand die Zeit tot. „Die Situation ist echt schlecht.“
Der junge Mann mit seinen Tattoos am Arm und den bunten Klamotten fällt auch Vanja und Gert Wöllhaf auf. Sie faulenzen in ihren Liegestühlen. Ihnen täten die Leute leid, die den Touristen alles böten, was das Herz begehre. „Das ist eine Katastrophe für das Land, eine Katastrophe für die Leute“, sagt Gert Wöllhaf.
Die Baden-Württemberger lassen es sich gutgehen. Verunsichert seien sie nicht - irritiert habe lediglich, als in der Nacht von Freitag auf Samstag plötzlich das Internet weg war. „Einfach stillgelegt“, sagt Wöllhaf. Dann kam die SMS aus Deutschland. „Wie geht's euch?“ „Wir haben unseren Freunden geantwortet: Uns geht es gut, Panzer sind auch noch keine durchgefahren.“ Wöllhaf lacht, als er das sagt.
Die, die am Strand relaxen, sind entspannt. Doch viele sind gar nicht erst gekommen: Die staatliche Flughafenbehörde meldete für die erste Hälfte des laufenden Jahres einen Rekordrückgang der Zahl der Passagiere in Antalya von 47 Prozent im Vergleich zu 2015. Und auch eine Umfrage unter Deutschen spricht Bände: Die wenigsten geben an, dass sie die Türkei für ein sehr sicheres Reiseland halten. Jeder dritte Befragte sagt sogar: Die Türkei sei „sehr gefährlich“.
Dabei ist in Antalya eigentlich alles wie vor dem Putschversuch. „Hier ist alles ruhig, Sie brauchen keine Angst haben“, sagt auch Taxifahrer Mehmet auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt. Er vertraue Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der von so vielen Seiten kritisiert werde. Und schließlich seien Ankara, Istanbul oder der unruhige Südosten der Türkei Hunderte Kilometer entfernt. Thema sind die Ereignisse dennoch überall.
Spricht man mit den Menschen in Antalya und Kemer, hört man eines immer wieder: Dass sie erwartet hätten, dass sich Deutschland solidarischer zeigt. „Einen Freund lässt man nicht im Stich“, sagt etwa Hamamcioglu. Viele fühlen sich im Stich gelassen - von der deutschen Politik, aber auch von den einstigen Touristen.
Aber nur wenige leugnen, dass die Probleme auch im eigenen Land zu suchen sind. Dass es die angespannten Umstände und die politische Lage ist, die die Menschen in diesem Sommer eher nach Griechenland oder Spanien treiben. Offen wollen aber die meisten nicht darüber sprechen.