Transmann als Covermodel einer Männerzeitschrift
Oer-Erkenschwick (dpa) - Auf dem Titel des Fitness- und Lifestyle-Magazins „Men’s Health“ zeigen jeden Monat junge Männer ihre durchtrainierten Körper.
Daran hat sich auch in der aktuellen Ausgabe nichts geändert. Ben, eines der fünf abgebildeten Models auf dem aktuellen Abocover, also der Ausgabe für Abonnenten, ist aber ein sogenannter Transgender-Mann. Der 29-Jährige aus Oer-Erkenschwick am Rande des Ruhrgebiets hieß früher Yvonne, hatte blonde Haare und einen Frauenkörper - fühlte sich aber wie ein Mann.
Heute, nach elf Operationen, zahlreichen Hormonspritzen und einem strikten Fitnessprogramm ist Ben in seinem Männerkörper angekommen: Er hat breite Schultern, einen Waschbrettbauch und einen Vollbart. Spätestens nach der Geschlechtsangleichung vor sechs Jahren sind die letzten Spuren von Yvonne vollends verwischt. Sogar ihre Geburtsurkunde wurde gegen eine neue ersetzt.
Für Ben und seine Eltern war das ein schwieriger Schritt. „Mein Vater wollte sein kleines Mädchen nicht verlieren“, erinnert er sich, „wobei ich eigentlich nie ein normales kleines Mädchen war“. Für die damalige Yvonne war es zum Beispiel völlig üblich, mit Jungs Sport zu machen und mit Mädchen auszugehen.
Wieso er „anders“ ist, konnte er sich erst erklären, als er einen Beitrag über Transgender im Fernsehen sah, der Klarheit ins Identitätschaos brachte. „Du kannst nicht mehr, du willst nicht mehr, dir ist egal, was die Leute sagen, du machst das jetzt - ob deine Eltern dich unterstützten oder nicht“, sagte er sich. „Und jedem Typ, der über dich lacht, spannst du später die Freundin aus.“
Ben spricht mit tiefer männlicher Stimme, trägt ein Jeanshemd und hat ein Bein lässig aufs andere gelegt.
In der 20-jährigen Geschichte von „Men’s Health“ in Deutschland ist er der erste Transmann, der für die Titelseite posiert - zusammen mit den vier anderen Erstplatzierten beim „Covercontest“ der Zeitschrift. „Beim Shooting war Ben so außergewöhnlich locker und souverän vor der Kamera wie kein anderer“, lobt Markus Stenglein. Für den „Men’s Health“-Chefredakteur stand spätestens nach dem Kennenlernen fest: „Ben sieht aus wie ein Mann, er fühlt sich wie ein Mann, er ist ein Mann.“
Melzer ist froh, „den Anstoß in Richtung Transmänner“ zu geben. Scherzend sagt er, dass er sich als eine Art „Martin Luther King für Transgender“ sieht. Als Aktivist will Ben Vorurteile abbauen und „Gleichgesinnten“ in den sozialen Medien Rede und Antwort stehen. Das sei seine Mission.
„Die Transgendergemeinde braucht Menschen wie Ben“, findet auch Stenglein, „er wird Hunderte motivieren und ihnen zeigen, dass es gesellschaftlich vollkommen in Ordnung ist, diesen Weg zu gehen.“
Schätzungen gehen von einem Transgender auf 1000 Geburten bis einem Transgender auf 100 000 Geburten aus. Nicole Faerber, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, vermutet, dass es weitaus mehr Menschen gibt, die sich in ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht wohl fühlen. Nicht alle entschieden sich wie Ben für das ein oder andere Geschlecht, sondern bezeichneten sich als „Weder-noch-Menschen“.
„Die Idee, dass es jenseits von "männlich" und "weiblich" etwas geben könnte, ist gesellschaftlich noch nicht akzeptiert“, bedauert Faerber. Deswegen sei das Anpassen des Äußeren für viele Transgender besonders erstrebenswert.
Anerkennung für seinen Mut und seine Willensstärke bekommt Ben von vielen Seiten - nicht nur von der eigenen Freundin und den Eltern, sondern auch in den sozialen Netzwerken.
Auf der Fotoplattform Instagram folgen ihm bereits Zehntausende - manche teilen die gleiche Erfahrung. „Ich bin stolz auf dich! Du bist meine Inspiration. Ich hoffe, dass ich eines Tages wie du sein werde“, schreibt ein Nutzer.
Als Leiterin einer Beratungsstelle für Transmenschen sieht Faerber darin eine Gefahr: Bens Rollenwechsel sei extrem und sehr gut gelungen. Deshalb warnt sie: „Das ist ein Ideal, das nicht jeder erreichen kann.“