Trotz Computer, App & Co: Deutsche lieben Brettspiele
Berlin (dpa) - Gratulation an den Sieger - und gleich ein Konter: „Es gibt Wichtigeres im Leben als Fußballspiele - Brettspiele zum Beispiel.“ Diese Anknüpfung ließ sich Bernhard Löhlein, Sprecher der Jury „Spiel des Jahres“, am Montag in Berlin nicht entgehen.
Am Abend zuvor war Deutschland nach 24 Jahren wieder Fußballweltmeister geworden - eine gute Vorlage für die Präsentation der in den Augen der Jury wahren Spiel-Sieger. Zwei Brettspiele setzten sich gegen Hunderte von Konkurrenten in ihren Kategorien durch.
Das witzig-schräge Kamelrennen „Camel Up“ (Verlag eggertspiele) und das orientalische Basarspiel „Istanbul“ (Pegasus Spiele) wurden als „Spiel des Jahres“ und „Kennerspiel des Jahres“ 2014 ausgezeichnet. Jury-Präsident Tom Felber sah Parallelen zwischen „unseren Aufgaben“ und denen eines Fußball-Trainers: „Wir stehen in der Öffentlichkeit, alle wollen mitreden und alle wissen es besser als wir.“
Denn die Bundesbürger sind so spielbegeistert wie kaum eine andere Nation in der Welt. 400 bis 600 neue Spiele kommen pro Jahr neu auf den Markt, erdacht werden Tausende. „Das klassische analoge Spiel lebt“, betonte Felber. Das Gesellschaftsspiel - ob als Brett-, Würfel- oder Kartenspiel - sei in deutschen Wohnzimmern fest verwurzelt. „Das gemeinsame Erleben am Tisch, das ist trotz Computerspielen und Apps immer noch hoch im Kurs“, resümiert der 1. Vorsitzende von Spielverlage e.V., Hermann Hutter. Und die Brettspiele entpuppen sich auch immer mehr als Exportschlager.
„Viele deutsche Spiele werden ins Ausland verkauft“, stellt Hutter fest. „Der Exportanteil liegt inzwischen bei 30 bis 50 Prozent.“ Deshalb wachse auch der Anteil mehrsprachiger Spiele ständig. Das spiegelt sich laut Felber in den Spielenamen, die international funktionieren müssen. Auf der Nominiertenliste 2014 hat gerade noch eines von sechs Spielen einen rein deutschen Titel.
2013 blieb der Umsatz bei Brettspielen mit knapp 400 Millionen Euro fast stabil (minus 1 Prozent). Als Publikumslieblinge mauserten sich Kartenspiele mit einem Plus von 9,5 Prozent und Würfelspiele (plus 17 Prozent). Kein Wunder: 2013 wurde mit dem verrückten „Hanabi“ erstmals in der 36-jährigen Geschichte ein Kartenspiel als Spiel des Jahres ausgezeichnet. Es verkaufte sich bis jetzt laut Hutter mehr als 700 000 mal.
Doch wer in Deutschland spielt am intensivsten Brettspiele? „Kinder und vor allem Erwachsene jeden Alters“, sagt Kinder- und Jugendforscher Axel Dammler. Kinder würden zwar nicht das „Kinderspiel des Jahres“ kaufen, das nun auch schon seit 14 Jahren gekürt wird. Bei ihnen stehen nach wie vor die Klassiker Lego, Playmobil, ferngesteuerte Autos und sogenannte Monster-High-Puppen ganz oben auf den Wunschzetteln.
„Doch wenn ihnen die qualitätsbewussten Eltern solche Brettspiele schenken, freuen sie sich darüber. Kinder spielen gern mit den Eltern“, sagt der Geschäftsführer des Münchner Meinungsforschungsinstituts „Iconkid & Youth“.
„Jugendliche legen bei Brettspielen eine Pause ein“, berichtet Dammler. „Sie wollen nicht mehr mit den klassischen Kinderspielen identifiziert werden.“ Das sei die Zeit der teureren Spielkonsolen, Playstations und Computerspiele. „Doch schon bei jungen Erwachsenen ab 20 Jahren setzt das Interesse an Gesellschaftsspielen wieder ein“, weiß Dammler. „Das soziale Miteinander, das Sich-Austauschen, und auch das Wetteifern - diese Spiele erfüllen eine wichtige Funktion in den Familien und unter Freunden.“