Türke schießt den Vogel ab

Ein gläubiger Muslim und erfolgreicher Geschäftsmann wird Schützenkönig in Paderborn.

Paderborn. Mehr Integration geht nicht: Während der Integrationsgipfel in Berlin im Streit um das Zuwanderungsrecht ringt, hat ein Türke aus Paderborn den Gipfel der Integration bereits erreicht. Er hat den Vogel abgeschossen und ist Schützenkönig der Paderborner Bürgerschützen von 1831 geworden. Als einer von wenigen Moslems in Deutschland hat sich der Unternehmer damit an die Spitze einer eigentlich urdeutschen Tradition mit christlichen Wurzeln gesetzt.

Seine grüne Schützen-Uniform samt Kappe trägt der grauhaarige Emin Özel mit Freude. Doch das bei Schützen meist dazugehörige Bierchen lehnt er konsequent ab: "Nein, Danke!", sagt der gläubige Moslem. Seit Montag regiert er bei den Paderborner Bürgerschützen nun mit Hofstaat - alkoholfrei.

Was ihn nicht am Feiern hindere, und "beim Schießen war ich nüchtern natürlich im Vorteil", scherzt Özel. Möglicherweise hat es auch deshalb nur eine Viertelstunde und zehn Schuss gebraucht, bis der hölzerne Vogel fiel. Dass die Mitglieder seines Hofstaats alle Deutsche sind, wundert den König nicht: "Da gibt es Informationsdefizite. Schützenvereine pflegen ja vor allem die Tradition."

Für viele Türken bleibe das eine fremde Welt, sagt Özel. Auch er habe den Verein erst vor fünf Jahren kennengelernt, als ihn ein Freund zum Schützen-Frühstück mitnahm: "Da hatte ich so viel Spaß, dass ich spontan Mitglied geworden bin." Genauso spontan war er dabei, als ihn am Samstag ein Vereinsbruder fragte, ob er nicht mitschießen wolle.

"Emin, der Ideenreiche" nennen ihn seine Schützen-Untertanen wegen seines Berufes, denn er betreibt zusammen mit seiner Frau eine Werbeagentur in Paderborn mit 30 Mitarbeitern.

Der 46-Jährige aus Tokat in der gleichnamigen türkischen Provinz lebt seit 1971 in Deutschland. Sein Vater war als Gastarbeiter der ersten Generation in die alte Bundesrepublik gekommen.

1979 kam Emin Özel zum Studium nach Ostwestfalen. "Ich war hier der erste Türke mit einem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. Eigentlich wäre meine Frau Nilgün noch vor mir gewesen, aber sie war damals schwanger." Dafür gründete sie die Agentur, in die 1997 auch ihr Mann eintrat.

Vereine sehe er als Möglichkeit, sich in seiner Heimatstadt zu engagieren, sagt Özel. In seiner Freizeit führt der Rotarier überdies Besuchergruppen durch eine Paderborner Moschee: "Ich will das Bild des Islam korrigieren, das erscheint viel zu negativ."

Er habe beim Königsschießen auch mitgemacht, um ein Zeichen für die Integration zu setzen. "Die Signalwirkung ist enorm, ich bekomme viele Glückwünsche von türkischen und deutschen Freunden", sagt Özel. Noch nicht einer habe ihn kritisiert. In ihrer Firma stellten er und seine Frau schließlich auch ganz unterschiedliche Mitarbeiter ein - Deutsche, Türken, eine Griechin, Halb-Iren und Halb-Schotten.

"So etwas sollte eigentlich nichts Außergewöhnliches sein", sagt Jörg Jagener vom Westfälischen Schützenbund, einer Vereinigung von rund 1000 Schützenvereinen. Faruk Sen, Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien, begrüßt den türkischen Schützenkönig als Symbol für Integration: "Es gibt noch einen großen Nachholbedarf."

Der König Emin Özel wurde 1961 in Tokat geboren. Er kam 1971 zu seinem Vater nach Deutschland, der hier als Gastarbeiter arbeitete. Von 1979 an studierte er in Paderborn Wirtschaftswissenschaften. Mit seiner Frau Nilgün führt der Diplom-Kaufmann heute eine Werbeagentur mit 30 Mitarbeitern.

Die Schützen Der Paderborner Bürger-Schützenverein 1831 hat rund 4000 Mitglieder und ist eine Institution in der Stadt. Emin Özel ist der erste türkische Schützenkönig in der 176-jährigen Vereinsgeschichte.