Tupfen statt wischen - Die Serviette ist kein Allzwecktuch
Essen (dpa/tmn) - Es gibt viele Wege, Servietten falsch zu nutzen: Der Gast wischt über die Lippen, als poliere er Besteck. Er tunkt das Stofftuch in die Soße oder legt es auf den Stuhl. Das kann richtig peinlich sein.
Etikette-Experten erklären, wie es richtig geht.
Es sind oft Kleinigkeiten, die im Leben über Erfolg oder Niederlage entscheiden. Vielleicht möchte der Restaurantbesucher sein Gegenüber zu einem Vertragsabschluss bewegen. Oder er ist aus ganz privaten Gründen an einer zweiten Verabredung interessiert. In beiden Fällen ist es keine gute Idee, in die Serviette zu schnäuzen. Oder sie nach dem Essen ins Püree zu drücken. Man blamiert damit leicht sich und andere.
Das fängt schon vor dem Essen an, wenn der aufgetürmte Stoff vor dem Gast auf dem Teller liegt - als Körbchen, Fächer, Bischofsmütze oder Oper von Sydney. „Viele wissen nicht, was sie mit dem Kunstwerk anfangen sollen“, sagt Hans-Michael Klein, Vorsitzender der Deutschen Knigge-Gesellschaft aus Essen. „Sie nehmen die Serviette und stellen sie neben den Teller.“ Korrekt sei es aber, das Tuch auseinanderzufalten. „Aufbrechen“ heißt das, denn die Falten der Serviette werden Brüche genannt.
„Bei einem offiziellen Essen nimmt man die Serviette erst auf, wenn die Gastgeberin das tut“, erklärt Lis Droste, Etikette-Trainerin aus Frankfurt am Main. Unter Arbeitskollegen oder Freunden spreche nichts dagegen, die Serviette gleich vom Teller zu nehmen und auf den Schoß zu legen, ergänzt Agnes Jarosch vom Deutschen Knigge-Rat. „Eine aufgetürmte Serviette ist ja oft auch eine Kommunikationsbarriere.“ Sofern die Gastgeberin dies vorgibt, könne der Gast das Tuch bis zum ersten Gang auch umgeklappt auf den Teller legen.
Spätestens zur Vorspeise wird die Serviette rechteckig gefaltet auf die Oberschenkel gelegt - und nicht als Dreieck, wie Klein betont. „Auch nicht auf Bügelfalte, sondern mit einem Zentimeter Versatz, damit man sie besser anheben kann.“ Eine Frühstücksserviette aus Papier dürfe man während des Essens auch neben den Teller legen, sagt Droste. „Sie ist zu leicht, um auf dem Schoß liegen zu bleiben.“
Einige Herren stecken die Serviette immer noch in Hemd oder Hosenbund in der Hoffnung, möglichst großflächigen Schutz vor Flecken zu haben. „Bitte nicht“, sagt Agnes Jarosch. „Zu einem gehobenen Essen gehört eine gute aufrechte Körperhaltung.“ Dadurch sollte sichergestellt sein, dass die Soße nicht auf dem Hemd landet.
Verlässt der Gast zwischen zwei Gängen den Platz, legt er die Serviette idealerweise links neben den Teller, wie Jarosch erläutert. Rechts stehen üblicherweise die Gläser. „Das bedeutet ein gewisses Pannenrisiko, wenn die Serviette auf dieser Seite geparkt wird.“ Im angelsächsischen Raum sei es dagegen üblich, die Serviette beim Verlassen des Tisches über den Stuhlrücken oder die Lehne zu legen. „Das ist eine andere Denkweise: Essensreste haben auf dem Tisch nichts verloren.“ Beide Varianten hält sie für möglich.
Ein häufiger Fauxpas sei aber, die Serviette auf die Sitzfläche des Stuhls zu legen, warnt Lis Droste. „Das ist schlicht und ergreifend unhygienisch. Auf dem Sitz haben schon viele andere gesessen. Mit der Serviette tupft man sich den Mund ab.“
Fällt das Stofftuch aus Unachtsamkeit herunter, sollte der Gast die Situation nicht dadurch verschlimmern, dass er umständlich vom Tisch abrückt und sich zu Boden bückt. „Nicht selber aufheben“, rät Klein. In einem guten Restaurant bringe das Personal ungefragt und diskret eine neue Serviette, ergänzt Jarosch. Anders in der kleinen Pizzeria an der Ecke: Dort muss der Gast meist selbst aktiv werden und den Kellner um eine neue Serviette bitten.
Eine Ausnahme gibt es: Wenn die Serviette auf dem Boden zur Stolperfalle wird, sollte sie immer sofort aufgehoben werden, erklärt Jarosch. „Notfalls auch vom Gast.“ Fällt die Serviette aber vom Schoß vor die Füße unter den Tisch, dürfe der Gast sie ignorieren. „Sie ist ja kein Hindernis und stört optisch auch nicht.“ Auch Lis Droste empfiehlt: „Auf keinen Fall unter den Tisch krabbeln.“
Ein weiteres Fettnäpfchen lauert bei der eigentlichen Benutzung der Serviette: Der Gast wischt den Mund ab. „Manche gehen über das ganze Gesicht, möglichst noch über die Stirn“, sagt Klein. Korrekt sei zartes Tupfen. Auch vor dem Trinken sollte getupft werden, damit man keine Fettflecken am Glas hinterlässt. „Das Essen macht die Lippen fettig.“
Der Klassiker unter den Fehltritten ist, die Stoffserviette nach dem Essen in die übrige Soße zu tauchen. Stattdessen sollte sie links neben den Teller gelegt werden, sagt Jarosch. „Bei Papierservietten ist das mittlerweile genauso.“ Das erleichtere die Mülltrennung. Auf das Zusammenrollen des Papiers sollte der Gast tunlichst verzichten.
„Manche nehmen die Serviette im Winter, um sich die Nase abzutupfen, wenn sie aus der Kälte ins Warme kommen“, erzählt Droste. Aber eine Serviette sei ein Mundtuch. Sie sollte auch im Sommer nicht benutzt werden, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Und in der Hosentasche hat eine Serviette ebenfalls nichts verloren.