Turban-Tornado macht mit 101 Jahren Schluss

London (dpa) - „Man muss ja auch mal vernünftig sein“, wird sich Fauja Singh gedacht haben. Wenn man älter wird, muss man ein bisschen kürzer treten und sich schonen. Gesagt getan: Fauja Singh macht Schluss.

Am Sonntag lief der älteste Marathon-Läufer der Welt mit 101 Jahren in Hongkong sein letztes Rennen - zehn Kilometer in einer Stunde und 32 Minuten. Der „Turban-Tornado“, wie ihn sein Biograph taufte, mit safranfarbenem Kopfschmuck und langem grauen Bart seit Jahren ein willkommener Farbtupfer bei vielen großen Marathonveranstaltungen, ist Läufer-Geschichte.

„Ich werde es vermissen“, sagte Fauja Singh, als er mit der Startnummer G0001 die Ziellinie in Hongkong überquert hatte. Auf seiner Facebook-Seite, wo Fans aus aller Welt den alten Mann als „Legende“ verehren, schrieb der gläubige Sikh aus dem indischen Bundesstat Punjab: „Heute war mein letztes Rennen. Aber ich habe ein vollkommenes Leben gelebt.“

Fauja Singh ist ein Läuferwunder - obwohl er sich Zeit gelassen hat, sein Hobby zu finden. Erst mit 89 Jahren lief er seinen ersten Marathon. Damals brauchte er für die 42,196 Kilometer sechs Stunden und 54 Minuten. Wie guter Wein wurde auch Fauja im Alter besser. Drei Jahre später, als er bereits 92 Jahre alt war, gelang dem nur 52 Kilogramm schweren Vegetarier seine Bestzeit: 5 Stunden, 40 Minuten und vier Sekunden.

Insgesamt erreichte er neun Mal das Ziel eines vollen Marathons, darunter in London, New York und Toronto. Dort lief er im Alter von 100 Jahren eine Zeit von 8 Stunden und elf Minuten. Damit ist Fauja Singh der älteste Marathonläufer in der Geschichte. Das Guinness-Buch erkennt seinen Rekord jedoch nicht an - er hat keine Geburtsurkunde, sondern nur einen Reisepass.

Fauja Singh stammt aus einem Dorf in Punjab, wo er als Bauernsohn aufwuchs. Als er 84 Jahre alt war und sein ältester Sohn bei einem tragischen Unfall starb, suchte er einen Ausweg aus der Depression - er zog nach England und begann zu laufen. Noch heute besucht er sein Dorf regelmäßig. Über seinen Abschied von der Marathonszene ist er keineswegs glücklich. Das Alter verlange seinen Tribut. „Ich will das Wort Ruhestand nicht wirklich hören“, sagte er der indischen Zeitung „Hindustan Times“ vor seinem letzten Lauf. „Ich kann noch immer laufen und auf einen Bus aufspringen.“

Das Laufen hat ihn in aller Welt berühmt gemacht. Die Nachricht von seinem Läufer-Ruhestand ging am Sonntag durch Medien rund um den Globus. Schon im vergangenen Sommer wurde Singh zum Helden, als er unter dem Jubel von Tausenden das Olympische Feuer als einer der Fackelläufer ein Stück durch London tragen durfte. Mit dem Sportschuhhersteller Adidas hatte er zeitweise einen Werbevertrag.

Auf Facobook hat Singh mehr als 50 000 Freunde. Regelmäßig ist er im Fernsehen und in Zeitungen zu sehen. Dem Marathon-Methusalem schwant, dass es damit bald vorbei sein könnte. „Ich habe Angst, dass mich keiner mehr mag, wenn ich aufhöre zu laufen. Ich hoffe, dass niemand mich vergisst oder ignoriert“, sagte der Ur-Ur-Großvater der Zeitung. „Wenn man älter wird, wird man wie ein Kind und braucht die Aufmerksamkeit.“