TV-Kritik: Gepflegtes Geplauder mit Anne Will

Die Premiere am Mittwoch lockte nur wenige Zuschauer.

Düsseldorf. Der Sendeplatz ist neu, das Konzept geändert, aber Anne Will bleibt die, die bisher sonntags ihre ruhigen Fragen stellte, das Gespräch auch gern laufen ließ. Bei politischen Themen ist das wenig ergiebig, gehört es doch für Polit-Profis zu den leichteren Übungen, sich in gespielter Empörung gegenseitig Worthülsen an den Kopf zu werfen.

Seit ihrer Zeit bei den „Tagesthemen“ gilt das Zweiergespräch als Wills Stärke, ihre ironisch hochgezogene Augenbraue erlangte Prominenz. Da ist es nur konsequent, wenn sich die Talkrunde nun nach und nach füllt.

Zum Thema „Wut im Bauch — Jugendkrawalle“ spricht sie als erstes mit dem Spitzenkoch Tim Raue, der in einer Jugendgang war. Er versteht die „schwachsinnige Wut“ nicht, ist aber dankbar, dass sein Vater ihn geschlagen habe. Das sei der Motor für seinen Erfolg gewesen, sagt er.

Für Anne Will eine schöne Gelegenheit für den Einsatz der Augenbraue. Rapper Sido gesellt sich dazu, seine Texte verherrlichen Gewalt, was er fürs wahre Leben aber nicht so verstanden haben will. Schauspielerin Veronica Ferres fordert die Verantwortung der Gesellschaft ein. Edmund Stoiber erklärt, dass London das Zentrum des Kapitalismus sei.

„Sie verstehen also die Jugendlichen?“, fragt Will. Nein, so meint der CSU-Politiker das auch wieder nicht. Journalist Christian Nürnberger arbeitet sich nicht am Thema, sondern an Stoiber ab „als Vertreter der politischen Klasse, die diese Zustände erst ermöglicht hat“.

Bevor der Talk ins gänzlich Ungefähre kippt, schaltet sich dankenswerterweise Sido ein: „So ein Gespräch versteht kein Jugendlicher.“ Und damit legt er den Finger genau dahin, wo die Sendung ein großes Loch hat.

Es ist zwar eine nette Variante, erst mal die Einzelpositionen zu klären. Wenn insgesamt aber nur gepflegtes Geplauder dabei herauskommt, bringt das keinen weiter.