Übergangsjacken - gibt es die noch?

Berlin (dpa) - April: Morgens ist Winter, mittags Sommer. Den ganzen Tag ohne Jacke geht's noch nicht. Bleibt der Griff zur Übergangsjacke, einem fast vergessenen Kleidungsstück. Doch darf und kann man die noch tragen?

Berlin (dpa) - April: Morgens ist Winter, mittags Sommer. Den ganzen Tag ohne Jacke geht's noch nicht. Bleibt der Griff zur Übergangsjacke, einem fast vergessenen Kleidungsstück. Doch darf und kann man die noch tragen?

Was ziehe ich an? Ist jetzt Sommer oder Winter? Der moderne Mensch muss nicht mehr auf den Balkon gehen, um herauszufinden, ob es draußen kalt ist. Auf dem Handy kann er noch im Bett liegend nachschauen, wie das Wetter im Tagesverlauf wird. Und dann die Garderobenentscheidung treffen - die nicht einfach ist, wenn es wie diese Woche morgens noch 6 Grad und mittags 20 Grad ist. Da ist die von Mutti gepriesene „Übergangsjacke“ richtig. Aber Moment, gibt es die überhaupt noch?

Modeexperten sind da unterschiedlicher Ansicht. In den Kaufhäusern von C&A wissen die Verkäuferinnen, was eine Übergangsjacke ist. „Das ist auch für uns ein wichtiges Geschäft“, sagt Sprecherin Julia Ley. Die Jacken sind in unterschiedlichen Stilen über alle Marken verteilt erhältlich. Im Trend sind laut C&A gerade Blousons, Blazer und Trenchcoats in Farben wie Beige, Schwarz, Oliv und Silber.

Die Zeitschrift „Glamour“ schreibt: „Das Wort Übergangsjacke ist zwar nicht sonderlich schön, doch ein wärmender Begleiter für die manchmal noch etwas schwache Frühlingssonne lohnt sich in jeder Hinsicht.“ Zu den Empfehlungen gehören Jeansjacken, Lederjacken und kurze Capes.

Auch der Berliner Designer Carl Tillessen vom Label Firma ist mit Übergangsjacken vertraut: „Den Begriff verwendet man auf jeden Fall.“ Nur, ob das Stück dann in die Sommer- oder die Winterkollektion kommt, ist schwierig zu entscheiden, wie er findet. Aktuell hat das Label einen Trenchcoat mit kleinem Stehkragen (statt der großen Graf-Dracula-Variante) im Programm.

Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts in Köln, fragt sich hingegen, ob Übergangsjacken in Zeiten des Klimawandels nicht verschwunden sind und wird geradezu philosophisch. „Zumal, die Übergänge von einer Jahreszeit zur nächsten an sich zu fehlen scheinen. Folgt nicht vielmehr auf den Winter direkt der Sommer? Und ist man in Phasen milderer Temperaturen trotzdem weder vor Kälteeinbrüchen noch vor plötzlichen Hitzewellen gefeit?“

Müller-Thomkins denkt an altmodische Begriffe wie das „Übergangshaus“, das nach dem Krieg Obdachlose und Flüchtlinge aufnahm. Und: In der Mode geht es heute individueller zu als früher. Die Übergangsjacke hat sich seiner Meinung nach in verschiedene Typen aufgelöst. So trägt man heute Funktionsjacken (zum Beispiel von Jack Wolfskin), sogenannte Fieldjackets (wie von Barbour) oder den „Techno-Trench“, den kurzen Mantel aus Hightech-Stoffen.

„Heute lebt nicht nur die Mode von Brüchen“, sagt Müller-Thomkins. Übergänge seien da nicht mehr gefragt. Der Textilfachmann sieht sogar politische Parallelen zu „dem Zünglein an der saisonalen Waage“ der Mode. „So ist wohl die Übergangsjacke so überflüssig geworden wie die FDP in der öffentlichen Betrachtung erscheint.“ Er selbst mag Wolle als Material bei unentschlossenen Temperaturen und trägt den Mantel über dem Arm, wenn es zu warm wird. Auch eine Lösung.